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Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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Vielleicht …“
    „Vielleicht werden Sie mir jetzt gut zuhören und tun, was ich Ihnen sage. Fahren Sie zur Kirche und warten Sie vor dem Büro. Ich informiere Friedmann.“ Er legte auf, atmete tief durch und blickte gen Himmel.
    Die Runde hast Du gewonnen. Zufrieden?
    Der Herr antwortete nicht. Natürlich nicht. Oder doch?
    Es ist vorbei
.
    Der Gedanke verdrängte alles andere - ein fremder Gedanke, etwas Abartiges und Widerliches in seinem Bewusstsein.
    Tilse schaute zu seiner Tochter und lauschte, wie sie leise atmete. Er strich über ihre Hand. Sein Dornröschen spürte die Berührung, ihre Fingerchen ließen den Marini los und umklammerten seinen Daumen.
    Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Nein, aufzugeben war er nicht bereit. Er musste kämpfen, für sein kleines Dornröschen, damit sie Morgen für Morgen aufwachen und den neuen Tag mit ihrem Lachen erfüllen konnte.
    Er kehrte ins Wohnzimmer zurück und die aufleuchtende Deckenlampe blen-dete ihn. Sandra stand neben der Couch, die Arme vor der Brust verschränkt. Auf ihrer Wange zeichneten sich die Falten des Kissens ab, ihr pummeliges Gesicht wirkte schlaff.
    „Wer war das?“
    „Ich muss kurz weg.“ Seine Hände fanden den Weg unter ihr T-Shirt, streichel-ten über ihren Rücken, Taille und Becken. Während der Schwangerschaft hatte Sandra zugenommen, in den Jahren danach wurden die Kilos auch nicht weniger, aber die Speckröllchen störten ihn nicht. Ab und zu nannte er sie neckisch ‚Knödelchen’ und vergnügte sich, wenn ihre Lippen sich zu einem Schmollmund verzogen. „Bin etwa in zwei Stunden zurück.“
    „Geschäfte?“ Sie entzog sich seiner Umarmung. „Darf ich dich daran erinnern, dass du kein Notarzt bist, sondern nur Krankenhäuser mit medizinischem Zeug belieferst? Also erzähl mir nicht, dass du um Mitternacht irgendwelche Geschäfte hast, die nicht bis morgen warten können.“
    „Vielleicht bin ich ein Geheimagent und muss jetzt die Welt vor einem schlimmen Finger retten?“ Er zwinkerte ihr zu und küsste ihre Stupsnase.
    Sie stieß ihn von sich und verschwand im Schlafzimmer. Das Bett beklagte sich mit einem Ächzen, als Sandra sich hineinwarf.
    Im Wagen rief Tilse Friedmann an. Das Oberhaupt hob nach dem ersten Ton ab, offenbar hatte er nicht geschlafen. Nachdem Tilse den Bericht zu Ende gebracht hatte, sagte der Spiritus Rektor lediglich: „Ich bin in fünfzehn Minuten im Büro“, und legte auf.
    Das Auto glitt über die leeren Straßen. Der Regen rieselte auf die Wind-schutzscheibe und tanzte im Licht der Scheinwerfer. Sanft schaukelte Lisas Schnuller am Rückspiegel. Aus der Dunkelheit traten Häuser am Straßenrand hervor und verschwanden. Die Menschen schliefen, ohne zu ahnen, wie nah sie am Abgrund standen. Denn nicht viele von ihnen hatten die Botschaft des Herrn erkannt:
Ich will den Menschen, den ich erschaffen habe, vom Erdboden vertilgen, mit ihm auch das Vieh, die Kriechtiere und die Vögel des Himmels, denn es reut mich, sie gemacht zu haben
.
    Eine halbe Stunde dauerte die Fahrt, bis Tilse den Wagen vor der Kirche geparkt hatte und zum Gemeindebüro schlenderte. Friedmanns Opel und der dunkle Van, mit dem Köhler unterwegs war, standen bereits vor dem Eingang. In einem Fen-ster des zweistöckigen Gebäudes brannte Licht und eine schwarze Silhouette streifte hinter den Gardinen hin und her.
    Tilse stieg die Treppe hinauf. Die Einrichtung in Friedmanns Büro beschränkte sich auf das Nötigste: ein Tisch in der Mitte und Stühle, zugemüllt mit aufge-schlagenen Büchern und Papieren. Einige Wälzer stapelten sich zwischen unzähligen Notizen auf dem Boden. Schriften und Folianten in den hohen Regalen erdrückten ihn mit ihrer Präsenz, vermittelten das Gefühl, unwissend und klein zu sein.
    Köhler kauerte auf einem Stuhl. Trotz seiner massiven Statur ähnelte er einem Schüler, der für einen Patzer zum Direktor bestellt wurde. Neben ihm saß Walters, ein Bursche Anfang zwanzig, nagte am Daumennagel und zupfte an seinen dunkel-blonden Locken.
    Friedmann wandte sich vom Fenster ab und kam lächelnd auf Tilse zu. „Schön, dass Sie da sind. Nun können wir anfangen.“ Mit seinem schneeweißen Haar, einem Pullover und einer Cordhose bekleidet, wirkte er alt und gebrechlich. Doch Tilse kannte ihn zu gut, um sich davon täuschen zu lassen. Friedmann nahm die Brille ab und hielt sie gegen das Licht der Deckenlampe. „Bericht.“ Er zog ein Putztuch aus der Tasche. Zitrusduft erfüllte die staubige

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