Staub zu Staub
Außenalster, wo sie immer an die Jachten und weißen Gebäudefassaden denken musste. Für die Miete dort hätte man woanders ein ganzes Haus bekommen können.
„Wir werden da sein“, sagte sie leise.
Die Blondine ergriff wieder seine Hand, als er gerade ins Programmheftchen schrieb, und der Kugelschreiber zog eine Schmierlinie über das ganze Blatt.
„Max, ich habe gehört, nächsten Monat gibst du ein Konzert in Paris. Was für ein Zufall, ich werde auch da sein. Treffen wir uns danach?“, flötete sie. Mit ihrem Gehabe erinnerte sie an einen neurotischen Pudel, der sein Herrchen wedelnd und hechelnd anspringt.
Sein Blick schweifte zur Decke und die Lippen formten ein stummes ‚Hilfe!’. Das Paar murrte wegen des versauten Autogramms. Mirjam ging, ohne sich zu verabschieden. So belagert wie er war, hätte er das eh kaum wahrgenommen. Neben sich hörte sie Kristin kichern.
„Na, wenn das seine Ruggieri war!“
„Ich tippe eher auf die Brünette davor.“ Durch die Mischgerüche im Korridor nahm sie den Duft von Zimt wahr. Er vergiftete die Luft und schnürte ihr den Atem ab. Gehetzt sah sie sich um, doch in den vielen Gesichtern suchte sie vergeblich nach dem Mörder. War er wirklich hier, oder spielte ihr Verstand ihr Streiche?
„In’t dunkelblaue Kleed?“ Kristin grinste. „Für einen Schweden spricht er er-staunlich akzentfrei. Ich konnte ihn besser verstehen als seinen Dirigenten.“
Mirjam hörte nicht weiter zu und beeilte sich, dem widerlichen Geruch zu ent-kommen, nach draußen, wo sie sich im Lichtermeer sicher fühlte.
Tilse hielt das Auto vor seinem Haus an. Eine Weile blieb er sitzen und wartete, bis der Schnuller am Rückspiegel mit dem Schaukeln aufhörte, erst dann löste er den Gurt und stieg aus. Als er ins Treppenhaus trat, klingelte sein Handy. Tilse stöhnte. Nach dem elend langen Arbeitstag wollte er jetzt am wenigsten irgend-welche Gespräche führen. Dennoch kramte er das Telefon aus der Tasche hervor.
„Tilse.“
„Ich habe das Mädchen observiert“, meldete sich Köhler. „Eben war es im Konzert der Hamburger Philharmoniker.“
„Oh, ich hoffe, die Kleine hatte einen schönen Abend. Habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen mich nur anrufen, wenn Sie etwas Wichtiges mitzuteilen haben?“
„Es ist wichtig. Das Mädchen ist hinter die Kulissen gegangen und hat einen Geiger angesprochen. Maximilian Helmgren. Und das Mädel kannte unseren Leit-spruch, worauf der Musiker äußerst seltsam reagiert hat. Viel vom Gespräch habe ich nicht mitbekommen, es war viel Gewusel da und ich wollte nicht zu nah rangehen.“
„Kennen wir den Geiger?“
„Oh, er ist sehr bekannt. Letztes Jahr hat er den …“
„Ich meine: Hat er irgendeine Verbindung zu unserer Organisation?“
„Nicht, dass ich wüsste. Viel ist über ihn nicht bekannt. Er ist Schwede.“
„Okay, ich kümmere mich um ihn. Beobachten Sie das Mädchen weiter.“ Er drückte das Gespräch weg und betätigte die Kurzwahl. Am anderen Ende wurde abgenommen. „Tilse hier“, sagte er in die Stille. „Ich brauche Informationen. Alles über den schwedischen Geiger Maximilian Helmgren. Vom ersten Schnupfen bis zum letzten Strafzettel.“
„Wie schnell?“, fragte eine tiefe Stimme.
„Gestern.“
„Schweden wird nicht so schnell gehen. Ich muss schauen, wen ich einschalten kann.“
„Beeilen Sie sich.“
Kurze Zeit später betrat er das Wohnzimmer und machte das Licht an. Sandra stand von der Couch auf.
„Was machst du hier im Dunkeln?“ Er trat auf sie zu, um ihr einen Kuss zu geben, doch sie wich zurück.
„Es ist halb elf.“
„Ich weiß, ich hatte sehr viel in der Firma zu tun.“
„Du hast immer in der Firma zu tun. Und ich frage mich, wohin eigentlich das ganze Geld verschwindet, warum wir in dieser Wohnung hocken müssen.“
Irritiert sah er sich um. „Ich dachte, dir gefällt die Wohnung.“
„Als wir uns kennen gelernt haben, ja. Vor acht Jahren. Aber jetzt haben wir ein Kind.“ Sie legte ihre Hand auf den Bauch. „Und bald vielleicht noch eins.“
Ein Baby! Wie sehr hatte er sich einen Sohn gewünscht! Tilse erstrahlte und umfasste ihre Schultern.
„Aber das ist doch wunderbar.“
„Ist es nicht.“ Sie schlug seine Hände zur Seite. „Es gibt nur zwei Dinge, die dich interessieren. Deine Firma und dein Gott. So kann ich nicht mehr weiter-leben!“
„Sandra, was ist plötzlich in dich gefahren?“
„Plötzlich? Wie oft habe ich schon mit dir darüber geredet? Jetzt habe
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