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Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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die Zehenspitzen, auch wenn sie Kristin nicht einmal bis zum Kinn reichte. „Ich muss weg. Ich gehe Max abholen und dann fahren wir nach Niedersachsen, zu diesem Fernfahrer, der Preschke kannte.“
    Ein Lächeln zerfloss über Kristins Mondgesicht. „Ach, deshalb also das Image der übergeschnappten Bergziege! Hättest du gleich sagen können. Ich sehe, es läuft gut zwischen euch. Habt ihr schon miteinander geschlafen?“
    „Was?“ Mirjams Wangen entflammten, als hätte jemand ein Streichholz angezündet.
    „Na ja, du magst ihn, er mag dich – das liegt dann wohl nahe, oder?“
    Mirjam öffnete den Mund, um zu erklären, dass dieser Schritt so viel mehr benötigt. Eine tiefe Liebe, Vertrauen und … und beließ es dabei, um nicht in eine moralische Grundsatzdiskussion zu verfallen. Sonst hätte sie genauso gut nach Wittler sehen können, was vermutlich schneller gegangen wäre.
    Kristin knuffte sie in den Oberarm. „Also nicht. Na dann viel Spaß in Nieder-sachsen.“
    Nach einer elend langen Fahrt stieg Mirjam aus dem Tunnel der U-Bahn. Sie holte das A4-Blatt des Stadtplanes aus ihrer Handtasche, das sie in ihrer Mittagspause ausgedruckt hatte. Die Papierränder flatterten im Wind, was das Entziffern des Straßenwirrwarrs nicht gerade erleichterte. Solange sie dastand, kam eine weitere U-Bahn und die Menschen strömten um sie herum aus dem Tunneleingang. Mirjam sah auf die Armbanduhr. Schon so spät! Sie hatte die Fahrdauer falsch eingeschätzt und nun versuchte sie zu entscheiden, ob sie nach links oder rechts musste. Der Orientierungssinn ihres Vaters war wohl nicht genetisch übertragbar.
    „Kann ich Ihnen helfen?“
    Ein junger Mann stieg die letzten Stufen der Treppe hinauf. Er trug eine schwarze Motorradjacke, sein dunkelblondes Haar war mit viel Gel nach hinten gekämmt, kräuselte sich aber dennoch.
    „Vielleicht.“ Mirjam lächelte und deutete auf eine Straßenlinie mit einem Kreis als Zielpunkt. „Ich muss da hin.“
    Die Handtasche rutschte ihr von der Schulter. Mirjam fing sie auf und der Wind nutzte seine Chance, ihr das Blatt zu entreißen und es zur Fahrbahn zu wehen. Der Mann jagte dem Papier hinterher und drückte es mit dem Fuß an der Bürger-steigkante nieder. Mirjam nahm den Ausdruck entgegen. „Danke.“ Sie musterte sein Gesicht. Wo hatte sie ihn schon mal gesehen?
    Er kratzte sich im Haar. „Ja, äh, wegen Ihrer Straße.“ Er zeigte auf die andere Seite. „Hier rüber und nach rechts. Neben einem Gebäude mit einem Baugerüst werden Sie eine kleine Straße entdecken. Verpassen Sie die nicht. Da entlang bis zum Schluss, noch mal nach rechts und schon sind Sie am Ziel.“
    „Danke.“
    „Gern geschehen.“ Der Mann steckte sich eine Zigarette in den Mund und eilte davon. Nach einigen Schritten spähte er über die Schulter zurück, nickte und beschleunigte seinen Gang. Mirjam sah ihm hinterher, bis er um die Ecke verschwand und nur ein Rauchwölkchen hinter sich ließ.
    Die kleine Straße verpasste sie tatsächlich. Erst an der nächsten Kreuzung fiel es ihr auf und sie ging zurück. Der Durchgang war mit einem Holztunnel von einer Baustelle gesichert und verlor sich zwischen den hohen Häusern.
    Ihre Schritte hallten über die Dielen, bald mündete der Tunnel in eine einsame Gasse. Das Gebäude rechts stand im Gerüst. Eine große Folie flatterte im Wind und übertönte alle Verkehrsgeräusche, die von der Straße noch in den Durchgang drangen. Argwöhnisch setzte Mirjam ihren Weg fort. Nach Preschkes Tod mied sie einsame Gegenden. Sie beeilte sich, die Biegung der Gasse zu erreichen, als jemand sie an den Haaren packte und zurück riss. Sie konnte nicht einmal aufschreien. Eine Hand drückte ihr den Mund zu, ein Arm legte sich unter ihre Brust und raubte ihr die Luft.
    Kam so ihr Ende? Sie versuchte sich loszureißen, doch der Griff quetschte sie noch fester ein, als wäre sie in einen Schraubstock geraten. Zwischen den Dächern sah sie den blauen Himmel und schickte in ihrer Verzweiflung stumme Hilferufe hoch.
    „Na komm schon!“, brüllte die tiefe Stimme neben ihrem Ohr. Der Atem roch nach Pommes und Curry-Wurst, dazu mischte sich Zimtgeruch, der gegen den Schweiß jedoch nicht ankam.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte Mirjam den jungen Mann mit dem gegelten Haar hervortreten. Erinnerungen an Preschkes Tod schossen ihr durch den Kopf. Erst jetzt begriff sie, wo sie dieses Gesicht mit den hohen Wangenknochen schon mal gesehen hatte. Ohne Pflegeruniform und mit nach hinten

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