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Staub

Staub

Titel: Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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es nicht darum, warum du etwas getan oder nicht getan hast, sondern nur um das Was. Das Was ist unser Problem, und das ist ein Thema, das Psychiater normalerweise nicht interessiert.«
    »Ich weiß. Also geht es um das Was . Aber ich habe keine Ahnung, Doc. Bei Gott, das ist die Wahrheit«, lügt er.
    »Gehen wir noch ein Stück zurück. Du bist also zu ihr gefahren. Wie? Du hattest den Mietwagen nicht dabei.«
    »Taxi.«
    »Hast du die Quittung noch?«
    »Wahrscheinlich in der Jackentasche.«
    »Es wäre gut, wenn du sie noch hättest«, meint sie.
    »Sie müsste in irgendeiner Tasche stecken.«
    »Du kannst sie später suchen. Was geschah dann?«
    »Ich bin ausgestiegen und zur Tür spaziert und habe geklingelt. Sie machte auf und hat mich reingelassen.« Jetzt steht die brodelnde Dunkelheit dicht vor ihm wie ein Sturm, der jeden Moment über ihn hereinbrechen wird. Als er tief Luft holt, pocht ihm der Schädel.
    »Marino, es ist in Ordnung«, sagt sie. »Du kannst es mir erzählen. Wir müssen herausfinden, was passiert ist. Ganz genau. Um mehr geht es hier nicht.«
    »Sie … äh … hatte Stiefel an wie ein Soldat … schwarze Lederstiefel mit Stahlkappen. Militärstiefel. Und ein großes T-Shirt in Tarnfarben.« Die Dunkelheit verschluckt ihn, und es ist, als würde sie ihn mit Haut und Haaren verschlingen, bis überhaupt nichts mehr von ihm übrig bleibt. »Nichts drunter. Ich war ein bisschen verdattert und hatte keine Ahnung, warum sie sich so angezogen hatte. Aber ich habe mir nichts dabei gedacht, wenigstens nicht das, was du jetzt glaubst. Dann hat sie die Tür hinter mir zugemacht und mich angefasst.«
    »Wo hat sie dich angefasst?«
    »Sie sagte, sie hätte mich gewollt, seit dem Moment, als ich zum ersten Mal zur Tür hereingekommen bin«, antwortet er. Er schmückt es ein wenig aus, allerdings nicht sehr, denn die Botschaft war eindeutig, ganz gleich, wie sie es genau ausgedrückt hat. Sie wollte ihn. Sie hat ihn von Anfang an gewollt, als er mit Scarpetta bei ihr erschienen ist, um ihr Fragen über Gilly zu stellen.
    »Du sagtest, sie hätte dich angefasst. Wo? An welchen Körperstellen?«
    »Meine Hosentaschen. Sie hat die Hände in meine Hosentaschen gesteckt.«
    »Vorne oder hinten?«
    »Vorne.« Er senkt den Blick und betrachtet blinzelnd die tiefen vorderen Taschen seiner schwarzen Cargohose.
    »War es dieselbe Hose, die du jetzt anhast?«, erkundigt sich Scarpetta und starrt ihn weiter an.
    »Ja. Dieselbe Hose. Schließlich hatte ich noch keine Gelegenheit, mich umzuziehen. Ich bin heute Morgen gar nicht mehr in meinem Zimmer gewesen, sondern mit dem Taxi direkt in die Gerichtsmedizin gefahren.«
    »Dazu kommen wir noch«, sagt sie. »Und was passierte, nachdem sie die Hände in deine Taschen gesteckt hatte?«
    »Warum interessiert dich das alles?«
    »Das weißt du genau«, entgegnet sie in demselben ruhigen, gemessenen Tonfall, ohne den Blick von ihm abzuwenden.
    In seinen Gedanken wirbelt ein Nebel, wie der Dunst, der sich auf dem Weg zu ihrem Haus in den Taxischeinwerfern fing. Er ist hingefahren, obwohl ihm klar war, dass dieser Weg ins Unbekannte führte. Und dann steckte sie die Hände in seine Taschen und zog ihn lachend ins Wohnzimmer. Dabei trug sie nichts weiter als ein T-Shirt in Tarnfarben und Kampfstiefel. Als sie ihren weichen, straffen Körper an ihn presste, wusste er, dass sie ihn ebenfalls spürte.
    »Sie hat eine Flasche Bourbon aus der Küche geholt«, sagt er und lauscht seiner eigenen Stimme nach. Aber er nimmt nichts in dem Hotelzimmer wahr, während er Scarpetta die Begebenheit schildert. Er ist wie in Trance. »Sie hat uns etwas eingeschenkt, aber ich sagte, ich sollte eigentlich besser nichts mehr trinken. Vielleicht habe ich es ja auch nur gedacht und nicht laut ausgesprochen. Ich weiß nicht mehr. Sie hat mich angemacht. Wie soll ich dir das erklären? Sie hat mich einfach angemacht. Als ich sie fragte, was das mit dem Tarnfarben-T-Shirt soll, meinte sie, er hätte drauf gestanden. Frank. Auf Uniformen. Er hätte gewollt, dass sie sich für ihn verkleidet, und dann hätten sie gespielt.«
    »War Gilly in der Nähe, wenn er Suz aufgefordert hat, Uniform zu tragen und zu spielen?«
    »Was?«
    »Vielleicht kommen wir später noch auf Gilly. Was haben Frank und Suz denn gespielt?«
    »Spiele eben.«
    »Wollte sie gestern mit dir auch Spiele spielen?«, erkundigt sich Scarpetta.
    Das Zimmer ist dunkel, und er kann die Dunkelheit spüren. Was er getan hat, sieht er nicht,

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