Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Staub

Staub

Titel: Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
wird.
    »Tja, es ist mein gottverdammter Fall«, fährt Fielding fort, womit er auf Dr. Marcus und Gilly Paulsson anspielt. »Das Arschloch hat, verdammt nochmal, nicht einmal einen Fuß ins Leichenschauhaus gesetzt, als ihre Leiche eingeliefert wurde. Und das, obwohl jedermann wusste, dass es mit diesem Fall Ärger geben wird. Den ersten großen Ärger seiner Karriere. Ach, bitte schauen Sie mich nicht so an, Dr. Scarpetta.« Er würde nie aufhören, sie so zu nennen, obwohl sie ihm angeboten hatte, Kay zu ihr zu sagen, weil sie einander respektierten und sie ihn als Freund betrachtete. Aber er nahm das Angebot nicht an, als er noch für sie gearbeitet hat, und er wird es auch jetzt nicht tun. »Haben Sie heute Abend schon was vor?«
    »Mit Ihnen, hoffe ich.« Sie hilft ihm, Mr. Whitby die schlammigen Arbeitsstiefel aus Leder auszuziehen, schnürt die schmutzigen Schuhbänder auf und klappt die schmuddelige Lederzunge heraus. Die Totenstarre ist noch nicht weit fortgeschritten; die Leiche ist noch beweglich und warm.
    »Gut. Um sieben bei mir. Ich habe noch dieselbe Adresse. Aber sagen Sie, haben Sie eine Idee, wie es dieser Bursche geschafft hat, sich selbst zu überfahren?«, schiebt Fielding noch eine Frage nach.
    »Ich verrate Ihnen, wie es meistens passiert«, antwortet sie und erinnert sich daran, wie Mr. Whitby vor dem Traktorreifen gestanden und am Motor herumgebastelt hat. »Die Technik streikt, Sie klettern vom Sitz und fingern am Anlasser herum. Womöglich versuchen Sie, das Ding mit dem Schraubenzieher zu starten, und vergessen dabei, dass ein Gang eingelegt ist. Wenn Sie Pech haben, springt der Motor an. Und bei der ganzen Aktion stehen sie direkt vor dem Hinterreifen. In diesem Fall hat der Traktor ihn in der Mitte überrollt.« Sie zeigt auf das schlammige Reifenprofil auf Mr. Whitbys grüner Arbeitshose und seiner schwarzen Regenjacke, auf die mit dickem rotem Faden sein Name T. Whitby eingestickt ist. »Wurde er unter dem Reifen liegend gefunden?«
    »Der Traktor ist über ihn drübergefahren und dann weitergerollt.« Fielding zieht dem Toten schlammige Socken aus, die Maschenabdrücke auf den großen weißen Füßen hinterlassen haben. »Erinnern Sie sich an den dicken, gelb lackierten Pfosten, der bei unserem alten Gebäude an der Hintertür aus dem Asphalt ragt? Da ist der Traktor reingefahren und wurde dadurch aufgehalten. Ansonsten wäre er wahrscheinlich mitten durch das Rolltor gerauscht. Aber das wäre ja eigentlich auch egal gewesen, weil die Bude sowieso abgerissen wird.«
    »Dann ist er vermutlich nicht erstickt. Eine diffuse Quetschung, so breit wie der Reifen«, meint sie und betrachtet die Leiche. »Verblutet. Sie müssen mit einer Bauchhöhle voller Blut, einer zerquetschten Milz, Leber und Blase und sicher auch mit zerdrückten Gedärmen und einem zerschmetterten Becken rechnen. Also bis um sieben.«
    »Was ist mit Ihrem Gehilfen?«
    »Nennen Sie ihn bloß nicht so, sonst wird er sauer.«
    »Er ist auch eingeladen. Mit der LAPD-Kappe sieht er ziemlich dämlich aus.«
    »Ich habe ihn gewarnt.«
    »Woher, glauben Sie, hat er die Schnittwunde im Gesicht? Von etwas auf dem Boden oder hinten am Traktor?«, fragt Fielding. Blut rinnt Mr. Whitby seitlich übers bartstoppelige Gesicht, als Fielding die halb abgetrennte Nase berührt.
    »Vielleicht ist es ja gar keine Schnittwunde. Als der Reifen über seinen Körper gerollt ist, kann er Haut mitgerissen haben. Diese Verletzung«, sie weist auf die tiefe, gezackte Wunde, die über seine Wangen und den Nasenrücken verläuft, »könnte auch ein Riss und kein Schnitt sein. Falls es wichtig werden sollte, müssten Sie unter dem Mikroskop eigentlich Rost oder Schmieröl und eindeutige Hautbrücken durch den Abriss erkennen können. Übrigens würde ich an Ihrer Stelle alle Fragen beantworten.«
    »Oh, ja.« Fielding blickt von seinem Klemmbrett auf, wo er gerade mit einem Kugelschreiber, der an einer Stahlklammer hängt, das Formular »Kleidung und persönliche Gegenstände« ausfüllt.
    »Die Chancen stehen hoch, dass die Familie dieses Mannes eine Entschädigung für ihren schmerzlichen Verlust einklagen wird«, sagt sie. »Ein tödlicher Arbeitsunfall, ein Arbeitsplatz, über den man reden wird.«
    »Stimmt. Ausgerechnet dort zu sterben.«
    Fieldings Latexhandschuhe verfärben sich rot, als er die Wunde im Gesicht des Mannes berührt. Warmes Blut fließt ungehindert, als er die halb abgetrennte Nase hin und her bewegt. Dann blättert er eine

Weitere Kostenlose Bücher