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Staub

Staub

Titel: Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Gedanken lesen. »Hast du ihm schon verraten, dass Gilly ermordet worden ist?«
    »Nein«, erwidert sie.
    Sie hat sich die Mühe gespart, Dr. Marcus erreichen oder ihm etwas mitteilen zu wollen, nachdem sie mit Gilly Paulsson fertig war, alles sauber gemacht, wieder ihren Hosenanzug angezogen und sich noch einige Proben unter dem Mikroskop angesehen hatte. Fielding kann Dr. Marcus die Fakten erläutern und ihm ausrichten, dass sie ihn gerne später informieren wird und dass er sie, wenn nötig, auf dem Mobiltelefon anrufen kann. Aber Dr. Marcus wird sich nicht melden. Er möchte so wenig wie möglich mit dem Fall Gilly Paulsson zu tun haben. Wie Scarpetta inzwischen glaubt, ist er schon vor seinem Anruf bei ihr in Florida zu dem Schluss gekommen, dass ihm der Tod dieses vierzehnjährigen Mädchens nur Ärger einbringen wird und dass es deshalb für ihn am ratsamsten ist, sich einen Sündenbock zu suchen. Und wem ließe sich die Schuld besser in die Schuhe schieben als seiner umstrittenen Vorgängerin Kay Scarpetta, die sich so vorzüglich als Blitzableiter eignet? Vermutlich hat er schon von Anfang an den Verdacht gehabt, dass Gilly Paulsson ermordet wurde. Und er hat aus irgendwelchen Gründen entschieden, sich nicht die Hände mit dem Fall schmutzig zu machen.
    »Wer ist der zuständige Detective?«, fragt Scarpetta Marino, während sie darauf warten, dass der Verkehr, der vom Highway I-95 abbiegt, an der Fourth Street an ihnen vorbeirollt. »Jemand, den wir kennen?«
    »Nein. Er war zu unserer Zeit noch nicht da.« Marino entdeckt eine Lücke, startet durch und schießt auf die rechte Spur. Seit er wieder in Richmond ist, hat er zu seinem alten Fahrstil zurückgefunden, den er sich in seinen Anfangsjahren bei der New Yorker Polizei angewöhnt hat.
    »Weißt du etwas über ihn?«
    »Genug.«
    »Wie ich annehme, wirst du die Baseballkappe den ganzen Tag über aufbehalten«, meint sie.
    »Warum nicht? Oder hast du eine bessere für mich? Außerdem wird es Lucy freuen, zu hören, dass ich ihre Kappe trage. Wusstest du, dass die Polizeizentrale umgezogen ist? Sie ist nicht mehr in der Ninth Street, sondern in der Nähe des Jefferson Hotel im alten Farm Bureau Building. Abgesehen davon hat sich bei der Polizei nichts geändert, bis auf die Lackierung der Streifenwagen und dass sie hier jetzt auch Baseballkappen tragen dürfen wie in New York.«
    »Vermutlich werden diese Kappen uns alle überleben.«
    »Genau. Also hör auf, an meiner rumzumeckern.«
    »Wer hat dir eigentlich erzählt, dass sich das FBI eingeschaltet hat?«
    »Der Detective. Er heißt Browning und macht einen ganz vernünftigen Eindruck. Allerdings hat er noch nicht viel Erfahrung mit Mordfällen, und die, mit denen er bis jetzt zu tun hatte, fallen eher in die Kategorie Stadterneuerung: Ein Arschloch knallt ein anderes Arschloch ab.« Marino klappt einen Notizblock auf und wirft einen Blick darauf, während er quer durch die Stadt zur Broad Street fährt. »Am Donnerstag, dem 4. Dezember, wurde er verständigt, weil das Opfer beim Eintreffen des Krankenwagens bereits tot war. Er fuhr zu der Adresse im Fan, zu der wir gerade auf dem Weg sind, drüben, wo früher das Stuart Circle Hospital stand, bevor sie es in sündhaft teure Eigentumswohnungen umgewandelt haben. Wusstest du das? Es ist passiert, als du schon nicht mehr hier warst. Würdest du in einem ehemaligen Krankenhauszimmer wohnen wollen? Nein, danke.«
    »Hast du eine Ahnung, was das FBI will, oder machst du es absichtlich so spannend?«, fragt sie.
    »Richmond hat es hinzugezogen. Das ist einer der vielen Aspekte dieses Falles, die für mich keinen Sinn ergeben. Ich begreife einfach nicht, warum die Polizei von Richmond das FBI gebeten hat, seine Nase reinzustecken, oder warum das FBI überhaupt bereit dazu war.«
    »Was meint Browning dazu?«
    »Für ihn hat der Fall keine große Priorität. Er glaubt, das Mädchen wäre an irgendeiner Art von Krampfanfall gestorben.«
    »Da irrt er sich aber gewaltig. Und was ist mit der Mutter?«
    »Sie ist ein wenig seltsam. Dazu komme ich noch.«
    »Und der Vater?«
    »Geschieden, wohnt in Charleston, South Carolina. Er ist Arzt. Wirklich absurd, findest du nicht? Ein Arzt weiß doch genau, wie es in einem Leichenschauhaus so zugeht, und dann lässt er sein kleines Mädchen zwei Wochen lang in einem Leichensack dort herumliegen, weil er und seine Frau sich nicht einigen können, wer für die Beerdigung zuständig ist, wo die Kleine beigesetzt werden soll

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