Staubige Hölle
sofort das Trommelfell schmerzte.
Kapitel 38
Dell saà allein an einem Tisch in dem Restaurant und sah zu, wie der Himmel sich zur Farbe geronnenen Bluts verdunkelte. Sein Vater war im Pick-up, der auf der anderen StraÃenseite parkte. Er wollte nichts essen. Sagte, Dell würde weniger auffallen, wenn er allein wäre. Dell war erstaunt, dass er überhaupt etwas essen konnte. Morgens hatte er nur an dem Frühstück herumgepickt, das ihnen von der blonden Frau serviert worden war. Doch in den vergangenen Stunden hatte er einen richtigen HeiÃhunger gehabt.
Die farbige Kellnerin brachte ihm ein fettiges Steak-Sandwich mit Fritten, und mit jedem Bissen schien er hungriger zu werden. Er war der einzige Gast in dieser kleinen Resopal-Zeitmaschine, die unversehrt die frühen sechziger Jahre überlebt zu haben schien. Und auch die Kleinstadt drauÃen vor dem Fenster hatte sich nicht sehr verändert. Dell konnte von seinem Platz aus einen staubigen Park und ein öffentliches Freibad sehen, heruntergekommen und verlassen.
Er bestellte die Rechnung, und die Kellnerin ging zur Kasse. Goodbread kam herein. Sah ihn nicht an, als er den Raum in Richtung Herrentoilette durchquerte. Die Frau nahm Dells Geld und ging zum Wechseln, bewegte sich im Kleinstadt-Tempo. Als sie herausgegeben und Dell das Wechselgeld eingesteckt hatte, war sein Vater immer noch nicht wieder von der Toilette zurück.
Dell musste pinkeln, also drückte er die Pendeltür auf. Ein Porzellanurinal und ein Lokus. Die Tür der Kabine war nur angelehnt. Sein Vater lag auf dem Boden. Dell drückte die Tür ganz auf und trat ein. Sah Blut auf Goodbreads Gesicht und auf seinem Hemd. Der alte Mann schnappte nach Luft, die Haut über seinen eingefallenen Wangen war bläulich wie bei einer Prellung. Dell griff ihm unter die Achseln und hievte ihn hoch, erstaunt, wie leicht er war. Setzte ihn auf den Toilettensitz. Beugte ihn nach vorn. Hörte, wie sein Atem etwas leichter zu gehen schien.
Dell riss eine Handvoll Toilettenpapier ab und ging damit zum Waschbecken hinüber. Feuchtete das Papier an, ging zurück in die Kabine und wischte seinem Vater den Mund ab. Gegen das Blut auf dem Hemd konnte er nichts tun. Goodbread atmete jetzt wieder ruhiger, und er hatte auch wieder etwas Farbe im Gesicht.
»Alles okay?«, fragte Dell.
»Ja.«
Dell versuchte, ihm einen Arm unterzuschieben. »Komm, ich helfe dir zurück in den Pick-up.«
Der alte Mann wehrte sich. »Ich schaffe das schon allein. Geh du vor.« Seine Stimme nur ein Flüstern.
Dell ging hinaus. Ãberquerte die StraÃe und blieb stehen, um in das zerfallene Schwimmbecken zu starren. Es war halbvoll mit vergammelndem Müll. Er konnte den Rahmen eines alten Fahrrads und den steifen Kadaver eines Hundes darin ausmachen.
Er erinnerte sich, gegen Ende der Apartheid von diesem Ort gelesen zu haben. Die Afrikaner, die in der Stadt das Sagen hatten, hatten das Becken ausgepumpt und die gefliesten Wände und den Boden mit Vorschlaghämmern zerschlagen, um sicherzustellen, dass es nie wieder Wasser halten könnte. Sie lehnten es strikt ab, das blaue Bassin mit den dunkelhäutigen Menschen jenseits der Bahnstrecke zu teilen.
Dell drehte sich um und beobachtete, wie sein Vater die StraÃe überquerte. Der alte Mann sah aus wie ein Geist. Goodbread kletterte in den Pick-up hoch, schloss die Tür und gab ihm ein Zeichen. Dell kehrte zu dem Truck zurück, stieg ein, lieà den Motor an und fuhr die HauptstraÃe hinunter. Goodbread röchelte.
»Lungenkrebs?«, fragte Dell.
»Ja.«
»Wie lange hast du noch?«
»Einen Monat. Vielleicht zwei.« Die Worte kamen mit Mühe.
»Haben die dich deshalb rausgelassen?«
»M-mmmhm. Strafaussetzung aus gesundheitlichen Gründen.« Lachte. Das Lachen löste einen Hustenkrampf aus.
Dell hatte nichts zu sagen. Er steuerte den Truck auf die LandstraÃe zu.
Kapitel 39
Der kleine Wagen mühte sich die letzte Steigung hinauf, die sie aus dem Tal und auf die StraÃe nach Durban führen würde. Sunday warf Sipho immer wieder verstohlene Blicke zu. Die tiefstehende Sonne zeichnete sein fein geschnittenes, beinahe mädchenhaftes Gesicht unter dem kurzgeschnittenen Haar als Silhouette. Er spürte ihren Blick und wandte sich ihr zu.
»Mit dir alles in Ordnung?«, fragte er.
»Ja. Danke.« Sie sah schnell wieder weg. Ihre Wangen waren glühend
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