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Stauffenbergs Gefaehrten

Titel: Stauffenbergs Gefaehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Vollmer , Lars-Broder Keil
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in Italien.
    Müller und Breidbach halten Kontakt. Von der Front schreibt Breidbach Briefe, oder er besucht Müller, wenn er auf Urlaub ist. Auf anschauliche Weise schildert er seine Eindrücke, etwa wie die französische Bevölkerung die Niederlage von 1940 aufgenommen hat. Müller ermuntert ihn, regelmäßig über seine Erlebnisse zu berichten, und der Jüngere kommt dem nach. Dieser Austausch festigt ihre Beziehung, für andere Freunde, vor allem in seinem Alter, scheint die Zeit zu fehlen. Ebenso für feste Partnerinnen – bekannt wird nur eine kurze, aber heftige Liebesbeziehung mit einer Frau während seiner Studentenzeit in Königsberg, von der die katholische Familie nicht begeistert ist.
    1942 wird Randolph von Breidbach an die Ostfront versetzt, in Kiew ist er zunächst der Verbindungsoffizier seiner Einheit zur Bevölkerung. Müller bittet ihn, auch von dort zu berichten. Weil bekannt ist, dass Briefe zensiert werden, zögert Breidbach, doch Müller versichert, die Berichte würden dem OKW vorgelegt, außerdem übernehme er die Verantwortung.
    Was Breidbach in der Sowjetunion sieht und erfährt, erschüttert ihn zutiefst. Er erlebt die brutale Behandlung der Zivilbevölkerung hautnah, an der sich auch die Wehrmacht beteiligt, hört von der Vernichtung der Juden hinter der Front und registriert die zunehmende Demoralisierung und Verrohung der eigenen Truppen. Das alles ist für ihn schwer zu ertragen, es widerspricht seiner christlichen Einstellung, und bald kann er das Erlebte mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren. Breidbach reagiert auf die Verbrechen des Krieges jedoch nicht nur aufgrund seines katholischen Glaubens und der elterlichen Erziehung, die, wie seine Schwester Huberta Riederer von Paar betont, naturgemäß die Schulung des Gewissens beinhaltet habe. Genauso wichtig ist die Perspektive eines Mannes, der die Verletzung grundlegender Menschenrechte ablehnt.
    Dass er mit niemandem aus seiner Umgebung offen darüber sprechen kann, belastet Breidbach zusätzlich: Er will nur noch weg. Eine Entscheidung über das »Wie« nimmt ihm im Herbst 1942 eine schwere Gelbsucht ab, die ihn ins Lazarett nach Zwickau bringt und von dort zum Ersatztruppenteil seines Regiments nach Würzburg, wo er sich auskurieren soll. Doch die Rückkehr an die Front ist vorgesehen.
    Josef Müller trifft bei einem Besuch auf einen völlig verzweifelten Breidbach, der ihn regelrecht anfleht, »ihn aus der Hölle im Osten herauszuholen«, wie Müller in seinen Erinnerungen schreibt. Um zu helfen, fragt er bei der Abwehr in München nach einer Möglichkeit, Breidbach unterzubringen. Dort ist man von dem jungen Offizier nach einem Gespräch angetan, will aber seine Tauglichkeit erst testen. Auf Anregung Müllers fasst Breidbach seine Erlebnisse aus Frankreich in einem Bericht zusammen, der an Dohnanyi in Berlin geht. Die Analyse kommt gut an, sie wirkt authentisch und zeigt, dass der junge Offizier sich sein gesundes Urteil nicht hat trüben lassen und ein entschiedener Gegner der NS -Ideologie zu sein scheint.
    Dohnanyi sammelt, begünstigt durch seine alten Kontakte ins Reichsjustizministerium, Dokumente über Verbrechen des NS -Regimes, um hohe Militärs zum Einschreiten zu bewegen. Die ungeschönten Berichte eines Frontoffiziers wie Breidbach können ihm helfen, mehr Einfluss auf Generäle zu nehmen, die noch zögern. Und sie sind ein Beleg, den Alliierten zu zeigen: Seht her, so denken Offiziere über das NS -Regime. Also ersucht Müller Breidbach um Berichte der Ostfront-Erlebnisse. Zwischen September und November 1942 entstehen die drei entscheidenden Papiere Breidbachs.
    Macht sich der junge Offizier Gedanken darüber, zu welchem Zweck die Abwehr seine Berichte verwenden will? Ist ihm vielleicht sogar bewusst, dass sie zur Vorbereitung eines Umsturzes dienen sollen? Begrüßt er das? Das muss unbeantwortet bleiben. Andererseits ist Breidbach ein intelligenter Mensch, der die Umstände reflektiert. Daher dürfte ihm auch die Brisanz seiner Darstellungen klar gewesen sein. Vermutlich haben sich Müller und er darüber unterhalten – in Widerstandskreisen herrscht großes Vertrauen und Offenheit. Vielleicht etwas zu arglos geht Breidbach jedoch davon aus, dass Müller äußerst sorgsam mit den Berichten umgeht.
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    Auszug aus der Anklageverfügung gegen Randolph von

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