Stauffenbergs Gefaehrten
geplanten Attentatsterminen, aus der sicheren Schweiz nach Berlin begeben. Er hatte in den wenigen Tagen dort fast alle aus dem engsten Kreis der Verschwörer getroffen und allein den für die Führung des Umsturzes vorgesehenen General Beck sieben Mal in dessen Privatwohnung in Lichterfelde aufgesucht. Am 20. Juli, während der hektischsten Stunden des Nachmittags, war er persönlich im Bendlerblock und danach bei den Mitverschwörern im NS -Polizeiapparat, dem Reichskriminaldirektor und Chef des Reichskriminalpolizeiamtes, Arthur Nebe, und dem Polizeipräsidenten von Berlin, Wolf-Heinrich Graf von Helldorf, beide hohe SS - beziehungsweise SA -Funktionäre. Er war danach unbehelligt geflohen, hatte sich monatelang in Berlin verborgen gehalten und war dann im Januar1945 mit direkter Unterstützung von Dulles mit gefälschten Papieren und einer ebenfalls gefälschten Gestapo-Marke in die Schweiz entkommen, um dem OSS aus allererster Hand zu berichten.
Wer war dieser Hans Bernd Gisevius, geboren am 14. Juni 1904 in Arnsberg (Westfalen), gestorben am 23. Februar 1974 in Müllheim (Baden), der gleichzeitig enge Kontakte zum deutschen Widerstand und zum amerikanischen Auslandsgeheimdienst pflegte?
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II.
Der Nachlass von Gisevius, der allerdings überwiegend die Nachkriegszeit betrifft, befindet sich nach etlichen Zwischenstationen seit Juli 1983 im Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich. Die Historikerin Susanne Strässer 3 und der Schweizer Autor Peter Kamber in seinem sorgfältig und auf der Basis umfassender Quellenanalyse recherchierten Roman Geheime Agentin 4 haben sich beide auf die Suche nach einer der schillerndsten Persönlichkeiten des Widerstands gemacht und sind doch zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen gekommen. Rudolf Augstein nennt Gisevius einmal den »Karl May des Widerstands« 5 , und der Historiker Henning Köhler spricht vom »wichtigtuerischen Verschwörer«. Schon darin spiegelt sich, dass Gisevius eine umstrittene Figur war und ist, sowohl für seine Zeitgenossen wie für die Nachwelt und Biographen. Auf jeden Fall gibt es ein Geheimnis um diesen Menschen, das seine Deutung schwierig macht.
Unbestreitbar war Gisevius sein Leben lang ein überzeugter Konservativer, das entsprach schon seiner Herkunft als Sohn eines Oberverwaltungsgerichtsrates. Früh zeichnete er sich durch eine manchmal provokative Leidenschaft aus, seiner Meinung auch durch zugespitzte Formulierungen Nachdruck zu verschaffen. Während seines Studiums trat er dem Wehrverband Stahlhelm bei, ein Engagement, das bei den Rechtswissenschaftlern damals recht verbreitet war. Seine engagierte Parteimitgliedschaft in der Deutschnationalen Volkspartei ( DNVP ), wo er eindeutig dem rechtsradikalen Flügel angehörte, brachte ihn schon 1931 als jüngstes Mitglied in den Parteivorstand, vermutlich weil er in Düsseldorf eine »Kampfstaffel« junger Deutschnationaler erfolgreich aufgebaut hatte. Er suchte und fand dort die Nähe zu Alfred Hugenberg, dessen einflussreicher Medienkonzern wesentlich zum Aufstieg der Rechtsradikalen in der Weimarer Republik beigetragen hatte. Bald schon war er selbst in juristische Händel verwickelt â unter anderem, weil er den Reichskanzler Heinrich Brüning beleidigt hatte.
Wie der Völkische Beobachter vom 11. Juni 1933 meldete, traten Gisevius, damals Leiter des »deutschnationalen Kampfrings«, und der Reichstagsabgeordnete Martin Spahn in jenem Monat aus der DNVP aus, weil sie ein Zusammengehen mit Hitlers NSDAP vorantreiben wollten. »Der dezidierte Gegner der Weimarer Republik [gemeint ist Gisevius; AV ] kommentierte seinen Austritt aus der DNVP scharfsinnig: âºEs ist kein Platz mehr für jene parlamentarische taktische Betrachtungsweise, als sei die heutige Regierung etwa das Ergebnis einer âºKoalitionâ¹ und als könne das Wechselspiel zwischen Mehrheit und Minderheit weiterhin wie im überwundenen parlamentarischen System fortgesetzt werden. Der Parteienstaat ist tot.â¹Â« 6
Am 15. November 1933 beantragte Gisevius die Mitgliedschaft in der NSDAP . 7 Strässer erklärt dies mit den ehrgeizigen politischen Zielen des frischgebackenen Juristen Gisevius, der sich zu dieser Zeit gerade heftig, aber vergeblich um den Posten des Leiters der neu entstehenden politischen Abteilung der Polizei in Berlin â der preuÃischen Vorläuferin der späteren reichsweiten Gestapo
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