Staunen über den Erlöser
Hausierer nicht einfach einen Schlüssel für meine Haustür geben soll. »Ach ja, Zufriedenheit, hast du heute Nachmittag schon was vor?«
Kapitel 24
Nah am Kreuz – und fern von Jesus
Am Fuße des Kreuzes würfelten sie.
Stellen Sie sich die Szene vor. Die Soldaten hocken im Kreis auf der Erde, die Augen zu Boden gerichtet. Der Delinquent über ihnen ist vergessen. Sie würfeln um ein paar gebrauchte Kleidungsstücke. Die Tunika, der Mantel, die Sandalen sind zu haben. Jeder der Soldaten wirft sein Glück auf die harte Erde, in der Hoffnung, auf Kosten des Zimmermanns am Kreuz ein Schnäppchen zu machen.
Ich habe mich gefragt, wie die Szene wohl auf Jesus gewirkt hat. Was dachte er, als er an seinen blutigen Füßen vorbei nach unten schaute in den Kreis der Würfler? Was für Gefühle hatte er? Er muss gestaunt haben. Da sind Soldaten Zeugen des ungewöhnlichsten Ereignisses der Menschheitsgeschichte und merken es nicht. Für sie ist es ein Freitag wie jeder andere und er ein Verbrecher wie jeder andere. »Mach schnell, jetzt bin ich dran!«
»Okay, als Nächstes geht’s um die Sandalen.«
So würfeln sie um den Besitz des Messias. Köpfe nach unten, Augen ebenfalls. Das Kreuz vergessen.
Erinnert Sie das an etwas?
Mich erinnert es an uns. Die Frommen. Die, die sich auf das Kreuz berufen. Wir alle. Ich denke an alle Christen im ganzen Land. Die Engen. Die Lockeren. Die Strikten. Die Schlichten. Die Charismatiker. Die Evangelikalen. Die Pietisten. Die Politischen. Die Mystischen. Die Buchstäblichen. Die Zynischen. Ich denke an Talare und Beffchen, an Sonntagsanzüge, an Wiedergeborene, an »Amen!«-Rufer.
Ich denke an uns. Und daran, dass wir (leider) gar nicht so viel anders sind als jene Soldaten.
Auch wir sitzen am Fuß des Kreuzes und spielen. Wir spielen darum, wer die meisten Mitglieder hat. Oder den höchsten Status. Wir urteilen und verurteilen. Konkurrenzdenken. Egoismus. Persönlicher Gewinn. Es ist alles da. Was der andere gerade gemacht hat, passt uns nicht, und so klemmen wir uns die gewonnene Sandale unter den Arm und machen uns eingeschnappt aus dem Staub.
So nah am Holz und so weit von dem Blut.
Wir sind auf Tuchfühlung mit dem wichtigsten Ereignis der Welt – und benehmen uns wie kleine Jungen, die sich um ein paar Meinungsmurmeln streiten.
Wie viele Predigtstunden sind schon mit Trivialitäten vergeudet worden? Wie viele Gemeinden sind dem Kleinlichkeitsvirus erlegen? Wie viele Pastoren haben ihre Steckenpferde gesattelt und sich mit gezückten Schwertern in den Kampf gegen Brüder gestürzt, wegen Themen, die es nicht wert sind, dass man über sie streitet?
So nah am Kreuz und so fern vom Messias.
Wir sind Spezialisten in »Ich habe Recht«-Kampagnen. Wir schreiben ganze Bibliotheken darüber, was die anderen falsch machen. Wir sind Experten im Tratschen und im Aufdecken von Schwächen. Wir teilen uns in kleine Haufen auf, und die Haufen zerteilen sich gleich wieder.
Der nächste Name. Die nächste Lehre. Die nächste »Irrlehre«. Die nächste Denomination. Das nächste Pokerspiel. Unser Herr muss staunen über uns.
»Diese dummen, egoistischen Soldaten«, sagen wir und schütteln den Kopf. »Sie waren so nah am Kreuz und so weit weg von Christus.« Aber sind wir denn so anders? Unsere Spaltungen sind so zahlreich, dass man sie schon nicht mehr zählen kann. Es gibt so viele Abspaltungen, dass die Abspaltungen schon selbst ihre Spaltungen haben!
Mal ehrlich: Sind unsere Unterschiede wirklich so groß? Sind unsere Meinungen wirklich so unvereinbar? Sind unsere Mauern wirklich so dick? Ist es wirklich unmöglich, ein gemeinsames Ziel zu finden?
»Ich bete für sie alle, dass sie eins sind«, hat Jesus gesagt (Johannes 17,21).
Eins. Nicht hundert Kirchen und tausend Grüppchen, sondern eins. Eine Kirche. Ein Glaube. Ein Herr. Nicht hier Baptisten, dort Methodisten und da hinten Adventisten. Einfach Christen. Keine Konfessionen, keine Hierarchien, keine Traditionen. Einfach Christus.
Zu idealistisch? Unerreichbar? Ich glaube, nicht. Es sind schon Dinge geschehen, die schwerer waren. Zum Beispiel damals, als an einem Kreuz ein Schöpfer sein eigenes Leben für seine Schöpfung gab. Vielleicht brauchen wir nur ein paar Herzen, die bereit sind, es ihm nachzutun.
Wie ist das mit Ihnen? Können Sie eine Brücke bauen? Jemandem ein Seil zuwerfen? Einen Abgrund überbrücken? Um Einheit beten? Können Sie der Soldat sein, der plötzlich zu sich kommt und aufspringt und den
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