Staustufe (German Edition)
langweilt er sich, und Sie können ihn zur Unterstützung einspannen. Wenn er nicht in Thailand ist. Kettler meint, der erzählte immer, er wolle sich nach der Pensionierung ein schönes Leben mit jungen Miezen in Thailand machen. Auch eine Einstellung, und das bei einem Polizisten …» Als Aksoy das Letztere erzählte, sprühte sie förmlich vor moralischer Missbilligung.
«Ich werde am Montag mal nachsehen, ob ich eine Adresse von dem Mann finde», sagte Winter. «Und jetzt … fahre ich Sie wohl nach Hause, okay?»
«Okay.»
Es war längst dunkel. Als Winter Aksoy vor ihrer Wohnung in der Großen Seestraße aus dem Auto ließ, hätte er zu gern gefragt, wer da oben auf sie warte. Aber er verkniff es sich.
Sebastian versuchte, sich mit dem Internet abzulenken. Er klickte sich durch die Seite des Armadacups. Annegret hatte sie angeflunkert. Hier stand nämlich, dass der Wettbewerb bei schlechtem Wetter gar nicht stattfand. Wobei Sebastian nicht wusste, ob Regen wie heute schon als schlechtes Wetter zählte oder ob da noch Sturm und Gewitter hinzukommen mussten. Aber sonst hatte die Trainerin recht gehabt: Die Zeiten der diesjährigen Gewinner waren tatsächlich ziemlich gut.
Nach ein paar Minuten brach die Verbindung zusammen. Das Stolze’sche Funknetz war einfach nicht mehr da. Sebastian brauchte einen Moment, dann machte sich in seinem Kopf die Erkenntnis breit, dass sein Vater den Router vom Strom genommen hatte, um ihm die Verbindung zur Außenwelt zu nehmen.
Sebastian spürte eine Angst in sich aufsteigen, gegen die das bisschen Aufregung vor Mathearbeiten ein Nichts war. Er musste hier raus.
Vorsichtig versuchte er, die Zimmertür aufzubekommen. Doch etwas stand davor, das die Klinke blockierte. Schnell gab er auf. Saß auf seinem Drehstuhl, lauschte, was im Haus vor sich ging. Plötzlich kam von unten ein unartikulierter Schrei tierischer Wut. Ein kurzes Schimpfen folgte, dann Stille. «Papa?», rief Sebastian verängstigt. «Papa?» Keine Reaktion.
Sebastian konnte hier nicht mehr tatenlos sitzen. Er rüttelte an der Klinke, rüttelte und rüttelte, bis draußen etwas krachte und fiel. Nun bekam er die Tür eine Handbreit auf, davor lag umgekippt auf dem Boden das kleine Bücherregal aus dem Schlafzimmer. Das, in dem Mama ihre Romane aufbewahrte. Keine zwei Sekunden später stürmte sein Vater die Treppe hoch und den oberen Flur entlang auf Sebastian zu. Seine dunklen, starken Augenbrauen trafen sich drohend in der Mitte. «Was willst du? Ich habe dir gesagt, bleib in deinem Zimmer!»
«Papa! Ich versteh das alles nicht! Erstens, ich muss aufs Klo. Zweitens, ich wollte dich fragen, warum du eben geschrien hast.»
Der Vater schob das umgekippte Regal mit den Füßen so, dass die Tür etwas weiter aufging. «Geh ins Bad. Ich warte.»
Sebastian quetschte sich durch die Tür, kletterte über das Regal und die verstreut herumliegenden Bücher hinweg. War sein Vater verrückt geworden? Anders konnte er sich dieses Verhalten nicht mehr erklären. Oder hatte Mama Papas illegale Machenschaften an die Polizei verraten? Aber warum, verdammt noch mal, sperrte er dann ihn ein?
Als Sebastian vom Bad zurückkehrte, sah er etwas Schreckliches. Sein Vater drehte abwesend eine kleine Pistole in der Hand. Sebastian schluckte, tat so, als sähe er es nicht. Wieder in seinem Zimmer, merkte er, dass er schweißnass war unter dem Fleeceshirt. Er hatte nicht gewusst, dass sein Vater überhaupt eine Pistole besaß. Was um Gottes willen hatte der Mann vor? Er lauschte. Bald hörte Sebastian erleichtert, wie der Vater wieder die Treppe ins Erdgeschoss nahm. Die Tür zum Büro schloss sich. Sebastian dachte kurz nach. Dann huschte er zu seinem Fenster, öffnete es und streckte den Kopf hinaus. Die kühle, neblige Luft tat gut. Unter ihm lag traurig der kahle Garten. Wie viele Meter waren das? Vier? Fünf? Wenn er sich vorsichtig mit den Händen hinunterließ, bevor er sprang, wären es weniger. Vielleicht würde er sich nachts trauen. Wenn sein Vater schlief. Jetzt hatte es keinen Zweck.
Sebastian zuckte zusammen. Da! Sein Vater trat links auf die Terrasse. In der Hand trug er eine Kehrschaufel voller Glaskrümel. Zielgerichtet schritt er zu dem Bereich unter Sebastians Fenster. Direkt darunter blieb er stehen und verteilte die Glaskrümel auf dem Boden. Sebastian traute sich kaum zu atmen. Der Vater ahnte offenbar, was er vorhatte, und wollte den Fluchtweg unbenutzbar machen. Als die Schaufel leer war, sah der Vater
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