Staustufe (German Edition)
im Flüsterton, während er das Mikrophon zuhielt. Aksoy erklärte sich mit erhobenen Händen stumm für unschuldig. Winter nahm wieder das Handy ans Ohr. «Frau Manteufel? Danke für den Tipp. Wir werden dem nachgehen. Aber sicher nicht vor Montag.»
Er beendete das Gespräch. Dann blickte er Aksoy fragend an. Die machte ein unglückliches Gesicht. «Den Garten haben wir uns gar nicht angesehen», sagte sie. «Der Eingang war ja auf der Straßenseite. Da ist bloß ein asphaltierter Hof. Der Garten geht hinten zum Main. Und es war ja bloß eine Nachbarschaftsbefragung. Von Suche nach Steinen war da nicht die Rede.»
«Ja, ja», sagte Winter, «ich weiß, wie so was passiert. Außerdem bin ich selbst schuld. Ich habe die Frage nach dem Stein die ganze Zeit links liegengelassen. Dabei hat die Frau Manteufel natürlich recht. Große, schwere Steine findet man nicht an jeder Ecke.»
«Aber die Spurensicherung», meditierte Aksoy. «Die hatten wir doch extra noch mal hingeschickt, um das Gelände in Mainnähe auf einen möglichen Tatort oder Leichenlagerort abzusuchen.»
«Stimmt. Aber die hatten kein Recht, auf die Grundstücke zu gehen. Also haben sie die Gärten wahrscheinlich keines Blickes gewürdigt. Es ist eben so, man sieht nur, wonach man sucht. Keiner von uns hat nach einem Stein gesucht, deshalb ist keinem von uns aufgefallen, wo es in der Nähe Steine gibt. – Und wissen Sie was, Frau Aksoy?»
Sie lachte. «Nein.»
«Vorhin hatten Sie mich doch gefragt, was ich tun würde, wenn ich wüsste, dass die Serdaris und der Benedetti unschuldig sind. Meine Antwort wäre gewesen: Man sollte den Täter in der Gegend unterhalb der Staustufe suchen. Denn nur wenn man da wohnt, kommt man auf die Idee, das Mädchen oberhalb ins Wasser zu werfen. Quasi um den Verdacht von sich abzulenken. Wo wohnt noch gleich der Zeuge Stolze?»
«Unterhalb der Staustufe. Das letzte Uferhaus dort. Und wissen Sie, die Frau Stolze wirkte bei der Befragung total verängstigt. Und der Mann merkwürdig aggressiv. Ich habe das damals auf was anderes zurückgeführt …»
Natürlich, dachte Winter. Auf das Schema böser Mann – arme Frau.
«Ich hab mit dem Herrn Stolze ja selber an der Staustufe gesprochen», sagte er. «Auf mich hat der etwas künstlich gewirkt. So als er ob er sich inszeniert. Das muss natürlich alles nichts heißen. – Hatte der Sohn der Stolzes Ihnen nicht gesagt, er hätte nachts Schritte hinter dem Haus gehört?»
«Ja, nachts nach zwei Uhr. Kurz davor war er erst nach Haus gekommen.»
«Kann auch sein, dass der Täter in der unmittelbaren Nachbarschaft der Stolzes zu suchen ist. Jemand, der deren Steingarten kennt. – Mensch, Aksoy, da werde ich den Chef tatsächlich überreden müssen, die Sache noch mal aufzurollen. Der wird sich freuen. Und ich fürchte, er wird dann Kettler die Hauptarbeit machen lassen. So wirklich recht ist mir das nicht. Wie gut kennt Kettler jetzt die Akte?»
Aksoy lachte. «Mein Eindruck ist, praktisch gar nicht. Da er mich ununterbrochen vollredet, kann er kaum zum Lesen kommen. Aber vielleicht macht das nichts. Wissen Sie, die Vernehmung mit dem Naumann, besonders im Verhörteil. Da war Kettler richtig gut. Viel besser als ich jedenfalls.»
«Ah. Das freut mich zu hören. Hat er Ihnen erzählt, wie lange er bei der Organisierten Kriminalität war?»
«Nicht sehr lange, ungefähr drei Jahre, glaube ich. Davor war er bei der Wirtschaftskriminalität.»
«Oje. Sieht aus, als hätte ich mir da einen Wanderpokal eingefangen.»
«Wanderpokal?»
«Einen Mitarbeiter, der häufig versetzt wird, weil ihn niemand auf Dauer haben will.»
Aksoy lachte wieder. «Wie gesagt, das Verhör hat Kettler super gemacht. Aber er ist echt eine Schwatztante. – Ach, wissen Sie, was Kettler mir erzählt hat? Am Griesheimer Mainufer wohnt auch ein pensionierter Polizist. Oder er hat jedenfalls früher da gewohnt. Ein gewisser Werner Geibel. Kettler hat den wohl auf Streife noch kennengelernt, sie waren ein paarmal mit den Kollegen bei ihm feiern. Das kann fast zwanzig Jahre her sein, Kettler ist im mittleren Dienst eingestiegen und hat dann erst die Ausbildung drangehängt. Dieser Geibel jedenfalls wurde frühpensioniert. Kettler meinte, in den damaligen idyllischen Zeiten hätte ein bisschen Rückenschmerzen schon gereicht, um mit voller Pension in den Ruhestand zu gehen. Der Geibel ist wahrscheinlich heute kaum älter als siebzig, der ist sicher noch fit. Rufen Sie den doch mal an. Vielleicht
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