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Staustufe (German Edition)

Staustufe (German Edition)

Titel: Staustufe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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bevor ich noch fragen konnte, ob ihr die Kleider vielleicht bekannt vorkommen, ist die so blass geworden, dass ich dachte, sie kippt mir um. ‹Nein›, hat sie wieder gesagt, sie würde die Kleider nicht kennen. Das war so ziemlich das Unglaubwürdigste, was ich in meinem Leben je gehört habe. Eingedenk Ihres Befehls, bei Verdächtigen abzubrechen, habe ich mich an dem Punkt herzlich für die Mitarbeit bedankt und mich verabschiedet. Kaum war die Tür hinter mir zu, hörte ich sie drinnen ins Bad gehen, das Bad geht direkt neben der Wohnungstür ab, und es hörte sich sehr danach an, als fängt sie an zu kotzen.»
    «Das war alles?» Winter war etwas enttäuscht. «Vielleicht ist die Griechin einfach nur verkatert», unkte er. «Wenn mir speiübel wäre, würde ich mich bei einer Befragung über Wasserleichen auch merkwürdig benehmen.»
    «Glaub ich nicht, Herr Winter. Glaub ich nicht. Die hat speziell auf meine Fragen und das Foto reagiert. Ganz eindeutig. Sie kennt das Mädchen, da könnt ich drauf schwören. Und sie weiß wahrscheinlich auch was über ihren Tod.»
    Winter kaute an seinem Zigarettenersatz-Bleistiftstummel. In seinen Adern begann Adrenalin zu rauschen.
    «Okay», sagte er. «Sie haben sie gesehen, ich nicht. Ich verlasse mich auf Ihren Instinkt. Was meinen Sie, wenn wir jetzt gleich da hochgehen, als was belehren wir sie? Als Zeugin oder als Verdächtige?»
    «Als Verdächtige», sagte Aksoy nach einem Moment des Nachdenkens. «Zumindest der Tatbeteiligung oder Vertuschung könnte sie sich schuldig gemacht haben.»
    «Hmm», meinte Winter. «Sie haben den Mann als Haupttäter im Verdacht, stimmt’s? Den haben Sie aber noch nicht mal gesehen. Na gut. Für den Staatsanwalt und eine Ingewahrsamnahme reicht das leider nicht. Wir gehen jetzt also erst einmal zusammen hoch und nehmen die Frau in die Mangel. Ausgekotzt hat sie sich hoffentlich inzwischen. – Wie ist noch gleich der Name der Dame?»
    «Serdaris. Eigentlich ein türkischer Name. Aber das weiß sie wahrscheinlich gar nicht.»
    «Hört sich für mich völlig griechisch an.» Er öffnete die Wagentür und machte Anstalten auszusteigen.
    «Ja, so wie Gyros ein griechisches Essen ist», grinste Aksoy.
    «Moment, Moment», sagte Winter und ließ sich geradewegs auf seinen Sitz zurückfallen. Er schloss die Tür und sah Aksoy scharf an.
    «Aber Sie finden die Frau jetzt nicht nur verdächtig, weil Sie als Türkin irgendwelche unterschwelligen Animositäten gegenüber Griechen hegen?»
    Aus Aksoys Gesicht verschwand das Lächeln.
    «Das meinen Sie doch nicht ernst», sagte sie.
    «Das meine ich sehr wohl ernst. Sie unterstellen ja auch wahllos allen Männern, sie würden Frauen diskriminieren. Da werde ich jetzt wohl mal nach Ihren Äußerungen eben den Verdacht haben dürfen, dass Sie Griechen diskriminieren.»
    Aksoy wirkte, als müsse sie sich sehr beherrschen. Dann sagte sie gereizt: «Ich habe nichts gegen Griechen. Die wenigsten Türken haben was gegen Griechen und die meisten Griechen auch nichts gegen Türken. Das sind nur die Politiker, nicht die Menschen. Wir sind uns viel zu ähnlich, um uns nicht zu verstehen. Und ich habe auch bestimmt keine persönliche Antipathie gegen die Frau Serdaris verspürt. Wenn Sie’s genau wissen wollen, sie tat mir leid. Ich habe gar keine Lust, da jetzt hochzugehen und sie weiter zu quälen. Aber sie hat sich wirklich sehr verdächtig benommen.»
    «Okay», sagte Winter, «gehen wir hoch.»
    Oben standen sie vor verschlossener Tür. Sie klingelten Sturm, immer wieder, aber Frau Serdaris öffnete nicht. Aus der Wohnung war nicht das geringste Geräusch zu hören.
    «O Gott», murmelte Aksoy, die blass geworden war. «Hoffentlich hat die sich nichts angetan. Die roch förmlich nach Suizidgefahr. Ich hätte das sehen müssen.»
    «Okay», entschied Winter, «wir gehen rein. Gefahr im Verzug.»
    Winter brauchte sein Besteck nicht herauszuholen zum Öffnen. Bei dieser Tür tat es auch die Kreditkarte. Sich ziemlich albern vorkommend, sicherten sie mit der Waffe die Wohnung. Drei Zimmer, Küche, Bad. Alles leer, wie sich bald zeigte.
    Im Bad stand das Fenster offen.
    «O nein, nur das nicht», sagte Aksoy. Sie ging zum Fenster und beugte sich weit hinaus. «Von hier kann ich den Rasen direkt drunter nicht sehen», verkündete sie, «wir sind hier unterm Dach. Es sind gute sechzig Zentimeter bis zum Dachrand.»
    Sie checkten noch einmal die ganze Wohnung. Dann gingen sie hinunter. Winter umrundete draußen

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