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Staustufe (German Edition)

Staustufe (German Edition)

Titel: Staustufe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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«Direktrice», ausgeübter Beruf: Schneiderin.
    «Ich verweigere die Aussage», erklärte sie mit versteinertem Gesicht den beiden Beamten.
    «Frau Serdaris tut das gegen meinen ausdrücklichen Rat», kommentierte Hasso aus dem Hintergrund. «Meine Klientin ist unschuldig, und ich habe ihr klar zu verstehen gegeben, dass es für sie besser wäre, eine Aussage zu machen. Frau Serdaris, bitte überlegen Sie es sich noch mal. Sie werden das sonst bereuen.»
    Lena schüttelte andeutungsweise den Kopf. «Ich kann nicht», murmelte sie. «Ich bleibe dabei. Ich sage nichts.»
    Hasso zuckte die Schultern. «Gut, Frau Serdaris. Ich werde dann ja vorläufig nicht mehr gebraucht. Kommissar Winter, Sie haben meine Adresse.»
    Der Anwalt nahm seine Mappe und machte den Abgang.

    Winter und Aksoy bissen sich bis in den Abend die Zähne an Eleni Serdaris aus. Die Fragen zur Person beantwortete sie noch. Mit bleichen Wangen und blaurot verweint um die Augen saß sie ansonsten stumm und offenbar frierend auf dem harten Stuhl und reagierte nicht. Sie wirkte geradezu apathisch, so als könne sie sich nur mit Mühe am Einschlafen hindern. «Brauchen Sie einen Arzt?», fragte Aksoy einmal zartfühlend. Winter fluchte innerlich. Er war sich sicher, wäre er allein oder mit Gerd hier, er hätte die Frau längst zum Reden gebracht. Aber die Anwesenheit Aksoys hemmte ihn. Er fühlte sich kritisch beobachtet. Garantiert hätte sie etwas Korinthenkackerisch-Feministisches zu meckern an den etwas manipulativen Methoden, die bei einem verstockten Täter Erfolg im Verhör brachten. Sie war eben einfach noch zu unerfahren.
    Nach anderthalb Stunden reichte es ihm.
    Er ging kurz vor die Tür, das Handy gezückt, die Serdaris sollte glauben, er wolle ein Gespräch führen. Was er übrigens auch tat. Und zwar mit den Kollegen, die Nino Benedetti observierten. Der fahre noch immer brav Pizzen aus, hieß es.
    Zwei Minuten später platzte Winter schwungvoll zurück in den Vernehmungsraum, wo die Aksoy sich gerade neuerlich in sanftem Ton nach etwaigen Ess- und Trinkwünschen von Frau Serdaris erkundigte.
    Aksoy drehte sich fragend zu ihm. Winter ignorierte ihren Blick. «Herr Winter ist wieder anwesend», sprach sie hyperkorrekt ins Mikro.
    «So, Frau Serdaris», sagte Winter rau zu der Verdächtigen. «Sie können ruhig weiter Ihren Mund halten, daran hindert Sie niemand.» Unauffällig legte er einen Finger auf die Pausetaste. «Wir haben unterdessen jetzt die Aussage Ihres Mannes, wonach Sie das Mädel höchstpersönlich aus Eifersucht erstochen haben. Wir geben uns gerne mit seiner Version zufrieden, die reicht uns völlig aus. Sie werden dann jetzt zurück in die Zelle gebracht. Falls Sie wider Erwarten doch noch was sagen wollen, dann tun Sie’s bitte fix.»
    Durch Eleni Serdaris schien ein Ruck zu gehen. Ihr bleiches Gesicht war hochrot geworden.
    «Ich soll sie umgebracht haben? Das hat Nino nicht gesagt.»
    «Na klar hat er.»
    Die Serdaris schwieg einen Augenblick, in geschmeidiger Starre wie eine Pantherin vorm Sprung, die Augen im Nirgendwo, den Mund halb offen. Zum ersten Mal sah sie lebendig aus.
    Plötzlich sah sie Winter direkt in die Augen. Ihre wirkten eiskalt.
    «Ich mache jetzt doch eine Aussage», sagte sie, mit einer schlagartig klaren, starken Stimme. «Aber nur in Gegenwart meines Anwalts. Holen Sie bitte meinen Anwalt zurück.»
    Winter war überzeugt, jetzt die wahre Eleni Serdaris zu sehen: kein leidendes Mäuschen. Sondern eine kalt berechnende Raubkatze.

[zur Inhaltsübersicht]
    3
    Das erste Anzeichen des Unheils hatte Lena an einem warmen, sonnigen Spätherbstmorgen gespürt. Ob sie noch eine volle Flasche von ihrem Bio-Saft habe, fragte Nino, in einem Ton, der eigentümlich nervös und entschuldigend klang. Lena griff ins unterste Regalfach und hielt ihm die Flasche hin: Erdbeer-Johannisbeer-Apfel, sündhaft teuer. Sie nippte das in homöopathischen Dosen oder schüttete es übers Müsli. «Da ist so ein Straßenmädchen am Südbahnhof», erläuterte Nino. «Die hat mich gebeten, ihr was Gesundes mitzubringen.»
    Im Laufe der Woche bekam das Mädchen einen Namen: Jeannette. Ninos Stimme, wenn er über sie sprach, klang zart und nervös zugleich. Das Mädchen brauche Hilfe, müsse irgendwie von der Straße geholt werden, gehöre da nicht hin. Mehrfach ging Nino früher als sonst zur Arbeit; Lena hörte heraus, dass er mit dem Mädchen am Südbahnhof Zeit verbrachte. Es war schon immer Ninos Problem gewesen, niemals nein

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