Staustufe (German Edition)
Inniges lag in seiner Umarmung, so ganz anders als sonst.
Einige Tage später bekam Lena abends, Nino war natürlich noch nicht da, einen Anruf des Hausverwalters. «Ich will Sie ja nicht erschrecken, Frau Serdaris. Aber falls Sie es nicht wissen, wollte ich Sie nur darauf aufmerksam machen, dass die Miete diesen Monat nicht eingegangen ist. Die Lastschrift kam zurück. Haben Sie denn Zahlungsprobleme? Ich kann Ihnen gern für diesmal Ratenzahlung anbieten, ich weiß ja, Sie beide sind eigentlich zuverlässige Leute.»
«O Gott! Herr Kusnitzky, das ist mir ja so peinlich. Ich weiß von nichts. Da ist wahrscheinlich ein Fehler passiert. Nein, wir haben keine Zahlungsschwierigkeiten. Ich kümmere mich drum, okay?»
«Ja, bestens. Das hat auch bis zum nächsten Ersten Zeit, falls da das Problem liegt. Schönen Abend noch.»
Die Miete ging von Ninos Konto ab. Lena überwies Nino ihren Anteil, der kleiner als seiner war, weil sie weniger verdiente.
Auch heute war sie noch wach, als er zurückkam – absolut zur üblichen Zeit, was sie beruhigte. Aber als Nino sie zur Begrüßung umarmte und küsste, fühlte es sich wieder an, als spiele er eine Rolle, als spule er mechanisch die alten Rituale ab, die nun entsetzlich schal und leer wirkten. Sie ignorierte das Gefühl. Wahrscheinlich war es reine Phantasie. Ihr fiel der alte Spruch ein: Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft. Dabei war sie nie eifersüchtig gewesen. Jetzt schon.
«Es muss ein Problem mit deinem Konto geben», berichtete sie, als Nino sich die Zähne putzte. Sie stand daneben, in die offene Badezimmertür gelehnt, wie oft abends, wenn sie nach dem langen getrennten Tag einander einfach nahe sein wollten, bevor es ins Bett ging. «Die Miete ist nicht abgegangen.»
«Verdammt», spuckte Nino. Er nahm die Bürste aus dem Mund, drehte den Hahn voll auf, spülte aus. «An die Miete hab ich nicht gedacht.» Er griff zum Handtuch. «Das Konto muss total überzogen sein. Klar, dass die Miete nicht abgeht.»
«Wieso denn überzogen? Wir haben doch gar nichts Besonderes gekauft?»
«Na ja, so dies und das. Ich hab halt Jeannette das Hotel bezahlt. Das läppert sich dann schon.»
«Du hast was?»
Das war Lena so scharf und böse herausgerutscht wie nie ein an Nino gerichtetes Wort in all den Jahren, in denen sie sich kannten. Mit ihrer Beherrschung war es vorbei.
«Ich habe ihr ein Hotelzimmer bezahlt. Mein Gott, es ist schon kalt nachts, ich kann sie doch nicht draußen schlafen lassen.»
«Seit wann? Seit wann hast du ihr das Hotel …?»
«Ich weiß nicht, seit ein paar Wochen.»
«Und wenn du morgens früh um acht oder neun nach Sachsenhausen fährst, dann gehst du zu ihr ins Hotelzimmer?»
«Ähm, ja.»
Lena drehte sich um und ging. Im Schlafzimmer schnappte sie sich ihre Decke, schleppte sie hinüber ins Gästezimmer, das zugleich der begehbare Kleiderschrank war.
«Lenchen? Lenchen!» Nino kam ihr hinterher.
«Lass mich in Ruhe», fuhr Lena ihn an.
«Nun mach doch nicht so ein Theater! Ich hab dir doch die ganze Zeit von Jeanette erzählt! Extra, damit du nicht denkst … Ich hab nicht mit ihr geschlafen. Ich will ihr nur helfen!»
«Dafür ist verdammt noch mal das Amt zuständig. Für siebzehnjährige Mädchen gibt es betreute Wohngruppen oder so.»
«Da war sie mal und hat es nicht ausgehalten. Jetzt –»
«Nino, ich will nicht mehr reden. Regel das irgendwie. So geht es nicht weiter.»
Lena tat zwei Tage so, als sei nichts. Am dritten Morgen reagierte Nino ohne jede Freude auf ihren Morgenkuss, und das Erste, was er sagte, war:
«Lenchen, ich hab heute frei.»
«Ach, schön! Wollen wir heute Abend …»
«Ich werde heute Jeannette mitbringen. Du hast ja recht, das mit dem Hotel geht nicht mehr so weiter. Sie ist auch so eine sehr Hygienische, genau wie du, es muss für sie was Besseres sein. In einem Billighotel ekelt sie sich. Jedenfalls, es ist ja sowieso gut, wenn ihr euch mal kennenlernt. Also bringe ich sie heute mit. Sie kann dann vorläufig bei uns im Gästezimmer wohnen.»
Lena hatte mit Entsetzen zugehört. Wie schon einmal überkam sie das Gefühl, Nino müsse verrückt geworden sein, ihr so etwas vorzuschlagen.
«Nino, nein, das geht nicht.»
«Wieso? Das Gästezimmer ist doch frei?»
«Ich will keine Mitbewohnerin. Wenn du mit ihr zusammenziehen willst, musst du hier ausziehen.»
«Ach Lenchen, bitte! Du würdest dich bestimmt gut mit ihr verstehen. Du kannst doch so gut
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