Staustufe (German Edition)
Papas Ungeduld ihr gegenüber fast verstehen. Er seufzte und tippte den Namen ein. «Da wirst du aber viele finden», prognostizierte er. Und so war es auch. «Okay», sagte er, als er die Ergebnisliste sah, «jetzt musst du hier selber gucken. Weiß ich doch nicht, was für einen Werner Geibel du suchst. Hier ist einer, der hat ’ne Firma für Apparatebau, was auch immer das sein mag. Ist es der?»
Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
«Geibel! Das ist dieser Kunde von Papa, stimmt’s? Der Stammkunde, von dem er immer die Post bekommt.» Jetzt flüsterte er selbst. «Wusst ich’s doch, dass mir der Name bekannt vorkam. Bloß den Vornamen kannte ich nicht.»
«Apparatebau stimmt nicht», flüsterte sie ganz heiser und räusperte sich. «Ich suche einen pensionierten Polizeibeamten.»
«Wie bitte, was? Polizist? Und der ist Kunde von Papa?»
«Ich kann dir das jetzt nicht erklären», hauchte sie.
«Verdammt, verdammt, verdammt», fluchte Sebastian im Flüsterton und scannte dann pflichtbewusst die Trefferliste. « No luck . Kein Polizist dabei. Alles der Apparatebau-Typ.»
Dann knallte er die Tastatur hin, stand auf und warf sich aufs Bett. «Mama. Mir geht die Geheimnistuerei in dieser Familie so unendlich auf den Sack. Könnt ihr mir nicht sagen, wenn es Probleme gibt? Ich hab doch auch gehört, wie ihr euch gestern früh gestritten habt. Es ist was mit Papas Firma, stimmt’s? Er ist hoch verschuldet, nehm ich an. Ahne ich doch seit Jahren. Oder macht er vielleicht was Illegales, oder was?»
Das war nur so dahingesagt. Aber an der Entfärbung seiner Mutter bei dem Wort «illegal» sah er, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Sebastian wurde ganz anders. «Waffengeschäfte?», flüsterte er. «Illegale Waffengeschäfte?»
«Nein», flüsterte seine Mutter, «was anderes. Wir wollten dich immer schützen. Du solltest … Pass auf, Basti, jetzt, wo du das erraten hast, vielleicht sage ich dir bald alles. Aber ich muss erst nachdenken. Gut nachdenken. Und es gibt eine Sache, die ich erst noch … was ich noch herausfinden muss.»
Sie ging. Zehn Sekunden später kam sie wieder rein. «Basti! Dass du um Gottes willen dem Papa nichts sagst! Bitte! Hörst du, es ist lebenswichtig!»
«Okay, okay», murmelte Sebastian. Als sie wieder draußen war, schaltete er den MP3-Spieler an. Aber es half nicht. Nicht einmal der Gedanke an Gamze Dikkaya half.
Sebastian wurde klar, dass seine Eltern in Wahrheit gut daran getan hatten, ihm nie etwas von den Unterweltaktivitäten seines Vaters zu verraten. Verdammt. Warum hatte seine Mutter nicht eben einfach den Mund gehalten? Sein Vater hatte recht, sie war wirklich ein bisschen blöd. Jetzt war er mitgefangen in ihrer Hölle, keine Rückkehr mehr möglich in die Zeit der Ahnungslosigkeit, in die Geborgenheit darin.
Hasso Manteufel hatte der Anruf seiner Exfrau auf dem Golfplatz in Bad Homburg überrascht. Golf ödete ihn an. Aber es gab nichts Besseres, um potentielle Klienten kennenzulernen. Die Art von Klienten jedenfalls, die er für gewöhnlich vertrat. Er betrieb eine Wirtschaftskanzlei.
Im legeren Leinenanzug, das schmale, lange Gesicht gebräunt, die gewellten braunen Haare perfekt gekämmt, lehnte er nun lässig an der Wand des Verhörraums, die Hände in den Hosentaschen. Am Schlag der Hose ahnte man ein paar zartgrüne Grasflecken, Souvenirs vom Golfplatz. Allmählich begann Manteufel sich zu ärgern, der harschen Bitte seiner Ex gefolgt zu sein.
Zunächst war ihm die Sache verlockend erschienen. Tief in seinem Herzen hatte er sich eine jungenhafte Faszination für die Kriminalistik bewahrt. Obwohl die Faszination sich eher aus Fernsehkrimis speiste, als dass sie mit der Realität in irgendeinem Zusammenhang stand. Vor Jahren, nach dem ersten Staatsexamen, hatte er mal ein Praktikum in einer Kanzlei gemacht, die Pflichtverteidigungen für Kriminelle übernahm. Die Klientel bestand vornehmlich aus jungen Männern, die mit Drogen, Bagatelldelikten und Prügeleien im Suff ihre Langeweile bekämpften. Banaler und trister ging es kaum.
Der vorliegende Fall war da schon spannender: ein Mordfall mit einer bislang unbescholtenen Frau als Verdächtiger, das hatte ihn gereizt.
Eleni Serdaris wusste allerdings nicht zu schätzen, dass er sich bereit gefunden hatte, für einen Appel und ein Ei ihre Verteidigung zu übernehmen. Er fühlte sich regelrecht verarscht von ihr. Wirtschaftsbosse folgten seinem Rat. Nicht aber Frau Serdaris, gelernte
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