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Staustufe (German Edition)

Staustufe (German Edition)

Titel: Staustufe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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hielt.
    «Sie ist halt Hotels gewöhnt», entschuldigte er Jeannette. «Da gibt es jeden Tag neue Seife und neue Handtücher.»
    Lena sah nach der ganzen Heulerei gestern so furchtbar aus, dass sie sich in aller Frühe schon für den heutigen Arbeitstag krankmeldete. Die liegengebliebene Arbeit würde sie in den Folgetagen in unbezahlten Überstunden abarbeiten müssen, so war das in ihrem Job. Nun saß sie auf glühenden Kohlen im Wohnzimmer, versuchte vergeblich zu lesen, wollte einfach nur, dass das Mädchen ging und sie ihre Wohnung zurückhätte. Doch Mademoiselle Jeannette bequemte sich erst um zehn ins Bad. Nun kam Nino ins Wohnzimmer. Statt sich neben Lena aufs Sofa zu setzen, ließ er sich ihr gegenüber in den Sessel fallen.
    «Lena, ich geh also dann nachher mit ihr mit und komme heute Nachmittag wieder. Oder vielleicht erst morgen, ich wollte eigentlich heute zu meinen Eltern.»
    «Musst du nicht arbeiten?»
    «Ich hab mir diese drei Tage freigenommen, damit ich das mit Jeannette regeln kann.»
    «Wenn sie im Bad wieder so lange braucht wie gestern, wird es mit dem Termin bei der Meldebehörde aber sehr knapp werden», sagte Lena bissig. Sie konnte einfach nicht anders.
    «Ich weiß. Und glaub mir, Lena, so dumm bin ich nicht, ich merke schon, dass sie das absichtlich rauszögert. Sie will irgendwie nicht auf dieses Amt.»
    «Nein, warum sollte sie auch. Wenn du sie ans Amt weiterreichst, dann verliert sie ja ihr schönes Luxusleben mit dir.»
    «Ach, komm, hör mit den Vorwürfen auf.»
    «Sorry. Mir geht’s nicht gut.»
    «Mir auch nicht.»
    Dann ging Nino. Sollte das heißen: Mir geht es nicht gut, weil du mich zwingst, auf mein kleines Glück mit diesem Mädchen zu verzichten ?
    Lena konnte sich schwer vorstellen, dass Jeannette sich so einfach fügen würde, wenn Nino sagte, wir sehen uns nicht wieder.

    Nino und Jeannette verließen das Haus um eins, zu spät für den ausgemachten Termin bei der Meldebehörde, zu spät sogar, um noch innerhalb der Öffnungszeiten dort einzutreffen. Nino hatte Lena erklärt, er werde das Mädchen zum Bahnhof bringen. Dort wolle er die Sache beenden.
    «Warum nicht jetzt gleich hier?», hatte Lena gefragt. «Warum gehst du überhaupt noch mit?»
    «Das geht so nicht. Lenchen, ich hab die Scheiße gebaut, lass mich sie jetzt auch auf meine Art in Ordnung bringen.»
    Scheiße gebaut. Das klang gut.
    Nino verlangte von Lena, dass sie sich von Jeannette verabschiedete. Zweimal künstliches Lächeln, zwei kalte Hände, die sich drückten. Sie wünsche ihr viel Glück, sagte Lena. Sie meinte es ernst. Das Mädchen war auf seine Weise arm dran, sie wünschte ihm alles Glück der Welt. Nur nicht mit Nino.
    Am späten Nachmittag rief Nino an: Er sei mit Jeannette ohne Termin auf dem Jugendamt gewesen, sei nach vielen Mühen zu einem Sachbearbeiter vorgedrungen. «Die haben ihr sogar ein Angebot gemacht, dass sie die Nacht irgendwo unterkommt und sich dann jemand um sie kümmert, um was Dauerhaftes zu finden und die Meldesache auch zu regeln. Aber Jeannette wollte nicht. Hat einfach gesagt, nee, das gefällt ihr nicht und sie wolle sowieso lieber nach Amerika, hier in Frankfurt hält sie nichts mehr.»
    «Sie hat einen Knall», sagte Lena.
    «Ja, sie hat einen Knall. Ich dachte, man könnte ihr so einfach helfen. Aber das stimmt nicht. Also, Lenchen, ich habe mich dann draußen von Jeannette verabschiedet, habe ihr einen Fuffi in die Hand gedrückt und gesagt, ich hätte noch ein Leben und eine Frau und eine Arbeit und dass ich meinen Teil versucht habe, aber jetzt echt nichts mehr für sie tun kann. Ich denke, sie hat das verstanden. Lenchen, ich fahr jetzt zu meinen Eltern. Muss den Kopf frei kriegen. Wir sehen uns dann morgen. Und wir vergessen die Sache. Okay?»
    «Okay.»
    Es wurmte Lena, dass er jetzt nicht zu ihr kam. Dass er erst «den Kopf frei» kriegen musste, bevor sie sich sahen. Sie hätte Nino gerade jetzt gebraucht. Aber sie wollte ihn nicht zwingen.
    In der folgenden Nacht schlief sie kaum. Am nächsten Morgen rechnete sie ständig mit Nino. Doch er kam nicht. Irgendwie konnte sie nicht mittags zur Arbeit gehen, ohne von ihm gehört zu haben. Sie war so verunsichert.
    Um elf rief sie ihn auf dem Handy an. Die Mailbox ging an. Schlief er noch? Sie versuchte es bei seinen Eltern. Ob Nino da sei? Ob sie ihn sprechen könne?
    Die Auskunft der Schwiegermutter: «Nino ist heute ganz früh weg. Er wollte jemand treffen, ich weiß nicht genau. Später will er wieder

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