Staustufe (German Edition)
zu uns kommen.»
Lena traf ein Messer ins Herz. Nino hatte es sich anders überlegt. Zog Jeannette ihr vor. Ihre Schwiegermutter, die durchs Telefon Schweigen und raues Atmen hörte, rief verwundert: « Mamma mia, piccolina , was ist denn los?»
«Er hat eine Freundin», stieß Lena halb schluchzend hervor.
«Was? Eine Freundin?»
«Freundin, Geliebte, was weiß ich. Er wollte gestern mit ihr Schluss machen, aber jetzt hat er sich wohl anders entschieden.» Lena fing wieder an zu weinen, jetzt war alles egal.
«Ich habe noch nie solchen Unsinn gehört!», rief ihre Schwiegermutter. «Ich glaube das nicht!»
«Es ist aber so. Wenn er sich heute wieder mit ihr getroffen hat, ist es so.»
«Aber er liebt dich doch so!»
«Aber sie liebt er auch.»
Am Ende bat Lena die Schwiegermutter, Nino auszurichten: Er solle sofort zu ihr kommen und eine gute Erklärung mitbringen. Wenn er jetzt aber keine Erklärung habe, dann wolle sie ihn niemals mehr wiedersehen.
Sie meldete sich bei der Arbeit wieder krank, legte sich ins Bett, wartete, ein entsetzliches Warten, entsetzliche Ungewissheit. Ihre Tränen liefen ununterbrochen, obwohl sie immer wieder versuchte, mit dem Weinen aufzuhören. Sie hatte ihr ganzes Leben nicht so viel geweint wie in den letzten beiden Tagen.
Gegen drei, die Zeit bis dahin schien unendlich lang, hörte sie unten einen Wagen halten und kurz darauf weiterfahren, vielleicht ein Taxi? Sie ahnte, hoffte, betete. Dann Ninos Schlüssel im Schloss. Seine Stimme, besorgt, im Flur: «Lenchen, Lenchen, was ist denn?»
Dann kam er ins Zimmer. «Warum weinst du denn so, was ist denn nur los! Ich hab dir doch gesagt, ich komm heute Abend erst wieder.» Er warf sich neben sie, schlang seine Arme um sie, war völlig aufgelöst. Lena weinte noch mehr, aber jetzt aus Erleichterung.
«Ich hab bei deiner Mutter angerufen», schluchzte sie, «sie hat mir gesagt, du bist heute Morgen ganz früh weg, um dich mit jemandem zu treffen. Da hab ich gedacht, du bist wieder mit Jeannette in irgendeinem Hotelzimmer und es ist noch nicht vorbei und du hast dich für sie entschieden.»
«Ach Lenchen, Lenchen! Ich hab mich bloß gestern nicht getraut, dir das zu sagen, weil du so kompromisslos warst. Ich hab doch heute noch einen Termin beim Sozialamt für sie gehabt. War mir natürlich klar, dass sie eh nicht mitgehen würde. Daher bin ich alleine hin, hab den Fall geschildert, Jeannette beschrieben und wo sie sich oft aufhält. Die sollen dort einfach wissen, dass es sie gibt und dass sie Hilfe braucht. Ich wollte das Gefühl haben, alles getan zu haben. Damit ich die Verantwortung los bin. Und dann hab ich mich tatsächlich noch mit ihr getroffen. Ich hatte ihr nämlich gestern versprochen, dass ich ihr ein Flugticket kaufe. Das war ihre Bedingung dafür, dass sie mich in Ruhe lässt. Ich war dann also gestern Abend noch am Flughafen, vorher noch auf der Bank. Hab gedacht, wenn sie tatsächlich in die USA fliegt, ist sie weg aus Frankfurt. Dann weiß man wenigstens, dass man sie los ist. Sie wird dort zwar erbärmlich scheitern. Aber das ist ihr Problem. Sie hat wirklich einen Knall. Ach Lenchen, warum weinst du denn immer noch?»
«Ich bin so verletzt. – Nino? Liebst du mich noch?»
«Ach Lenchen, Lenchen, natürlich liebe ich dich! Ich könnte nicht ohne dich leben!»
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4
Es war spät geworden. Winter war todmüde.
«Nehmen Sie ihr das ab?», fragte er Aksoy, als die Griechin abgeführt worden war.
«Was? Die Geschichte? Ich glaube schon. So was kann man schwer erfinden.»
«Ich meinte, dass die Serdaris das Mädchen an der Tür ihrer Wohnung lebend verabschiedet hat und dass sie sie danach nie wiedergesehen haben will.»
«Da bin ich nicht ganz sicher. Aber ihr Mann ist jetzt natürlich ebenfalls verdächtig. Vielleicht wollte er sich des Mädchens entledigen, um seine Ehe zu retten. Ich kann mir das eigentlich eher vorstellen, als dass die Serdaris die Täterin war. Und der Mord war dann vielleicht das, was Benedetti an dem Freitag noch zu erledigen hatte.»
«Ja, ja, Frau Aksoy. Ein Mann als Täter, dann ist Ihre Welt in Ordnung. Aber Sie haben natürlich recht, Benedetti ist verdächtig. Ich rufe jetzt die Kollegen von der Streife an, dass sie ihn mitnehmen sollen. Den Haftbefehl bekommen wir. Kapitaldelikt, Verdunkelungsgefahr. Übrigens, Frau Aksoy, ist Ihnen was aufgefallen? Ihre Theorie mit dieser Jessica aus Marl stimmt doch nicht. Das Mainmädchen hieß Jeannette.»
Aksoy
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