Staustufe (German Edition)
das Feuilleton aber in den Papierkorb warfen.
Jetzt blitzten ihn Wohlzogens Äuglein neuerlich an. Oder war bloß die Brille nicht entspiegelt?
«Wenn das alles ist», wollte Wohlzogen wissen, «dann verraten Sie mir doch bitte, warum Sie hier sind.»
Naumann verzog das Gesicht. «Mein Gott, das wüsste ich ja selbst zu gern. Aber Sie müssen doch mit dem Staatsanwalt oder irgendwem gesprochen haben. Das ist doch Ihr Job.»
Wohlzogen sollte bloß nicht denken, dass ein Guido Naumann sich von einem Adelstitel und diesem bulligen Äußeren einschüchtern ließ.
Der Anwalt zeigte seine kurzen, breiten Zähne.
«In der Tat habe ich mit dem Staatsanwalt gesprochen. Und deshalb weiß ich, dass Sie nicht offen mit mir gewesen sind.»
Naumann schäumte innerlich. Das war doch erniedrigend. Allein die Tatsache, dass dieser Adelsaffe ihn penetrant siezte, nachdem er als der Ältere sich ihm als «Guido» vorgestellt hatte. In ihren Kreisen duzte man sich unter Gleich und Gleich doch zumeist. Okay. Zum Gegenangriff.
«Also, Herr Wohlzogen, ich dachte, Sie werden dafür bezahlt, dass Sie mich verteidigen, und nicht, um mich hier einem Verhör zu unterziehen. Wenn Sie wissen, was die gegen mich in der Hand haben, dann sagen Sie’s mir gefälligst.»
So. Seine Stimme hatte etwas zu schrill geklungen, aber ansonsten war das gut rausgekommen.
Wohlzogens Pokerface zuckte ganz leicht.
Dann sagte er:
«Es gibt eine Wolldecke mit Opferblut, die Sie nach dem Tod des Mädchens aus Ihrer Wohnung beziehungsweise Ihrem Boot entfernt haben sollen.»
«So was habe ich mir gedacht, aber … Moment, was sagen Sie da: Opfer blut? Blut soll dadran gewesen sein?»
«Ja», nickte Wohlzogen. «Verdacht auf Opferblut hieß es gestern, und heute ist es kein Verdacht mehr. Man hat man mich über das Ergebnis des Gentests informiert. Es handelt sich eindeutig um Blut des getöteten Mädchens. Haare und Hautschuppen von ihr waren auch dabei. Aber es geht hier natürlich insbesondere um das Blut.»
«Never», rief Naumann, starr vor Schreck. «Never ever. Niemals war da Blut dran. Nicht an meinen Decken. Es sei denn natürlich …» Seine Augen wurden glasig, dann strahlte er.
«Gott, nein, die hatte ihre Tage! Die hatte ihre Tage! Das ist die Erklärung.» Er lachte schrill.
Das erklärte alles. Ihr ganzes Verhalten. Aber dass die kleine Schlampe ihn auch noch damit reinreiten musste …
«Warum haben Sie denn die Decken in den Müll geworfen?», erkundigte sich Wohlzogen.
«Wollen Sie mich schon wieder verhören?», blaffte Naumann.
Wohlzogen hob müde eine Braue.
«Es gilt immer noch, was ich am Anfang gesagt habe: Ich kann Sie nicht verteidigen, wenn ich nicht informiert bin. Außerdem wird man Ihnen die Frage auch vor Gericht stellen.»
«Vor Gericht?» Allmählich wurde es Naumann unheimlich. «Sorry, aber ich erwarte doch wohl, dass Sie mich vorher hier rausholen.»
Wohlzogen verzog keine Miene. «Wenn wir gut zusammenarbeiten, klappt es möglicherweise», sagte er. «Also, warum haben Sie die Decken entsorgt?»
Es stank Naumann jetzt wirklich mit diesem Adelsaffen. Apropos stank …
«Das Mädchen hat gestunken. Mir waren die Decken nicht mehr sympathisch, seit sie drin gelegen hatte.»
Wohlzogen sah ihn scharf an. Die Augen blitzten kritisch. Er glaubte ihm nicht.
Guido Naumann stöhnte entnervt.
«Herrgott, Herr von und zu Wohlzogen, ich hab dem Flittchen nichts getan! Ich hab sie freundlicherweise eine Nacht bei mir pennen lassen, das ist alles! Ich hab sie ja nicht mal gevögelt, warum hätte ich sie umbringen sollen? Für wie blöd halten Sie mich eigentlich, dass ich dann die Leiche auf der Seite der Staustufe in den Main schmeiße, wo sie nicht weiterschwimmt! Also wirklich!»
Wohlzogen zeigte jetzt ein ganz kleines Lächeln.
«Das klingt schon überzeugender. Passen Sie auf, es ist so oder so eine knappe Sache. Wenn die niemanden sonst haben, werden Sie derjenige sein, dem es angehängt wird. Aber ich denke jetzt, dass es besser ist, wenn Sie aussagen. Also, gehen wir noch einmal alles durch und üben noch ein bisschen.»
Winter konnte sich partout nicht konzentrieren. Nicht solange er wusste, dass Sara gerade von seinen Kollegen verhört wurde. Schließlich ließ er alles stehen und liegen und machte sich auf Richtung Vernehmungsraum drei. Er hatte ein Recht zu wissen, was dort jetzt geschah.
Sie hatten Sara vor zehn Minuten hergebracht. Er hatte sie nicht einmal gesehen. Aksoy rief ihn bloß kurz an:
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