Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Staustufe (German Edition)

Staustufe (German Edition)

Titel: Staustufe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
Vom Netzwerk:
Sara habe erklärt, sie wünsche weder seine noch die Anwesenheit ihrer Mutter bei der Vernehmung. Ob er seine Tochter überstimmen wolle? Das Recht dazu hatte er als gesetzlicher Vertreter. Doch Winter hatte sich seiner widerspenstigen Tochter nicht aufdrängen wollen.
    Nichts und niemand würde ihn allerdings daran hindern, sich die Videoübertragung anzuschauen.
    Als er den Videoraum betrat, erlebte er eine böse Überraschung. Fünf oder sechs Kollegen – alle in der angeblich so überlasteten SoKo Krawatte – standen hier herum, teilweise essend, und glotzten hoch auf den Bildschirm, als laufe dort ein wichtiges Fußballspiel.
    Es gab peinlich berührte Blicke, als Winter eintrat. Der dachte nicht lange nach. «Wer von euch ist direkt mit dem Fall befasst?», fragte er.
    Niemand sagte etwas.
    «Würden bitte alle, die nichts mit dem Fall zu tun haben, rausgehen und ihren Voyeurismus mit was anderem befriedigen als gerade mit meiner Tochter.»
    «Du lieber Gott, es tut ihr ja niemand was», murrte Freimann, der bärtige alte Hase, der auch dabei war, als Einziger zumindest halbwegs berechtigt. «Man wird doch noch neugierig sein dürfen.» Aber er ging. Und alle anderen auch, wobei Winter einige böse Blicke abbekam. Es hätte ihm egal sein sollen. Aber er brodelte plötzlich vor Aggression. Kollegenhäme hatte ihm gerade noch gefehlt.
    Bei Sara waren sie eben erst mit den Personalien durch. Das hatte die Schreibkraft erledigt. Außer der Schreibkraft und Sara war nur noch die Aksoy im Vernehmungsraum. Es war der, den sie eigens für die Vernehmung von Kindern eingerichtet hatten, freundlich, mit gelben, baumwollbezogenen Sesseln und einem niedrigen Holztisch. Der Computerarbeitsplatz der Schreibkraft hatte den Look eines Wohnzimmersekretärs.
    «Frau Winter, möchten Sie denn geduzt oder gesiezt werden?», fragte nun die Aksoy.
    «Geduzt», erklärte Sara piepsig. Ihre Wangen glühten, ihre linke Hand strich fahrig über den kurzen Rock und die schwarze Strumpfhose, die sie trug. Sie sah dauernd nach unten. Der Verdächtige ist schuldig, hieß solche Körpersprache für Winter, wann immer es nicht um seine Tochter ging. Doch Sara war ja gar nicht beschuldigt. Seines Wissens war sie hier nur als Zeugin.
    «Okay, prima», sagte Aksoy. «Wenn es dir recht ist, würde die Frau Waltz auch mit hierbleiben und deine Aussage gleich zu Protokoll bringen. Oder wäre es dir lieber, mit mir ganz alleine zu sprechen?»
    «Ja», sagte Sara sofort, «das wär mir lieber. Bitte alleine.»
    «Okay. Dann geht Frau Waltz jetzt. Wenn du magst, kann bei der Vernehmung aber eine Mitarbeiterin dabei sein, die besonders für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen ausgebildet wurde. Würdest du das gut finden?»
    «Ja, ich glaub schon.»
    Winter war schockiert, wie schutzbedürftig Sara wirkte.
    «Okay. Wir müssen dann nur unser Gespräch auf morgen Mittag verschieben, weil die Kollegin vorher keinen Termin frei hat.»
    «Ich weiß nicht. Nee, dann nicht. Ich glaube, ich will lieber gleich reden.» Sara blickte immer noch nach unten.
    Winter wurden die Knie schwach. Er setzte sich. In dem Moment betrat Fock den Videoraum. Er nickte Winter zu und ließ sich ohne ein Wort nieder. Aksoy belehrte Sara unterdessen als Zeugin. Dann begann sie: «Okay, Sara. Wir glauben, dass du uns Informationen über die beiden Jugendlichen geben kannst, die tot im Main gefunden wurden, und über die Vorgeschichte. Willst du vielleicht einfach erzählen, was du weißt?»
    Sara wand sich sichtlich. «Ich kann nicht», murmelte sie. Dann: «Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.»
    «Vielleicht hinten?», schlug Aksoy vor. «Manchmal ist das leichter. Der Junge, dessen Bilder ich euch gestern gezeigt habe. Ich hatte den Eindruck, er kam dir bekannt vor?»
    «M-hm.»
    «Wer ist das denn?»
    Sara gab ein Geräusch zwischen Seufzen und Schluchzen von sich. Dann sagte sie:
    «Ich glaube, es ist Lenny Petzke aus meiner Klasse.»
    Winter fühlte sich, als bekomme er einen Schlag ins Gesicht. Lenny Petzke. Leonhard Petzke. Der Name war ihm seit Urzeiten vertraut. Der Junge war mit Sara schon auf der Grundschule gewesen.
    «Das ist ja schrecklich. Bist du dir sicher?»
    Sara nickte, dann fing sie an zu schluchzen. Noch immer blickte sie Aksoy nicht direkt an. Die Kommissarin reichte ihr ein Papiertaschentuch. Dann sagte sie mit sanfter Stimme:
    «Du warst dabei, als Lenny in den Main gefallen ist?»
    Sara nickte unter Tränen.
    Winter beugte sich vor und vergrub

Weitere Kostenlose Bücher