Steam & Magic 01 - Feuerspiel
bitte erklären?«
»Aber Sie müssen doch den Bericht haben.« Der Professor schob ein paar Stapel auf seinem Schreibtisch hin und her. Merrick sah kaum noch sein graues Haupt hinter den Bergen aus Papier.
»Ja, ja, selbstverständlich, aber ich würde es gerne noch einmal aus Ihrem eigenen Mund hören.« Merrick hatte keine Ahnung, von was der Mann redete, aber es war vielleicht kein Zufall.
»Es geschah letzte Woche – ich hatte gerade die Maschine aufgebaut, um ein paar neue Mixturen zu erstellen, aber sie funktionierte nicht. Der Verbindungsstutzen zwischen Rechenmaschine und Mischapparatur fehlte, so dass man keine Chemikalien zugeben konnte.« Reed kratzte sich am Kopf. »Kann mir nicht vorstellen, was jemand damit anfangen sollte – ohne den Rest der Apparatur ist der Stutzen nutzlos. Könnte höchstens sein, dass die Studenten eine Art Schnitzeljagd damit veranstaltet haben. Vielleicht diese Teufel drüben von der Astronomie. Die führen doch immer was im Schilde. Der alte Narr von Archibald hetzt sie auf.«
Merrick hustete erneut, um ein Lachen zu verbergen. »Können Sie mir den Gegenstand beschreiben? Insbesondere das fehlende Teil?« Das Ganze musste mit Merricks Ermittlung zu tun haben, es sei denn, es handelte sich wirklich um einen Studentenstreich.
»Hm. Die technischen Daten müssten hier irgendwo sein«, setzte Reed an. »Natürlich hergestellt von Babbage Scientific Instruments.«
»Natürlich.« Soviel wusste Merrick auch. Nur diese eine Firma stellte dieses Sonderteil her. »Wenn ich fragen darf, würde dieser Stutzen auch auf eine der alten Maschinen passen, die noch mit Lochkarte laufen?«
»Aber sicher doch. Unser verdammtes Ding ist praktisch eine Antiquität – mindestens sechs, sieben Jahre alt. Ich beantrage ständig eine neue, aber nein, die finanziellen Mittel fehlen, heißt es.« Er durchwühlte eine Schublade, bellte »Ha!« und hielt ein vergilbtes Bündel Papier hoch. »Bedienungsanleitung. Gleich hier.«
Merrick nahm das Heft und betrachtete das Bild. Und tatsächlich verband der Stutzen die beiden Teile des Geräts, die Maschine mit der Mischapparatur. »Professor Reed, darf ich das für meine Nachforschungen behalten? Ich verspreche, Sie bekommen es zurück, wenn wir Ihr fehlendes Teil wiederfinden.«
Der Professor winkte ab. »Natürlich, natürlich. Ich würde Ihnen raten, zuerst in den Büros der Astronomie nachzusehen.«
»Ich verspreche, wir werden gründliche Nachforschungen anstellen.« Merrick grinste. »Ach ja und übrigens, haben Sie die Rechenmaschine diese Woche schon einem meiner Kollegen gezeigt?«
Reed schüttelte den Kopf. »Nein. Glaube nicht. Fragen Sie den alten Narren.«
Merrick schüttelte nur den Kopf und verabschiedete sich.
In der anderen renommierten Universität war es nicht viel anders, obwohl hier ein anderer Teil der Maschine fehlte. Auch hier amüsierte sich Merrick über das Gestichel zwischen den Fakultäten, trotz des Ernstes der Lage.
Seine nächste Station würde jedoch weitaus weniger Anlass zum Schmunzeln geben. Merrick hatte Sir Andrew Devere telegrafiert und dieser hatte einem Besuch zugebilligt und einen Zeitpunkt am Nachmittag vorgeschlagen, der Merrick gerade genug Zeit ließ, das Anwesen des in Ruhestand lebenden Ritters in einem nahegelegenen kleinen Dorf zu erreichen. Während seine gemietete Kutsche eilig die Straßen entlangfuhr, betrachtete Merrick die Fotografien, die er von Tommy mitgebracht hatte. Würde sein Besuch Licht in die Herkunft des Jungen bringen oder nur noch mehr Fragen aufwerfen? Und würde ein kranker, alter Mann so etwas verkraften?
Das imposante Herrenhaus im Tudorstil war dunkel und vollkommen still, als Merrick hereingebeten wurde. Das einzig hörbare Geräusch war das leise Ticken einer Standuhr in einer Ecke im Foyer. Alle Vorhänge waren geschlossen und selbst der Butler, der ihn einließ, sprach in würdevollem Flüsterton. Unter der ernsthaften Ermahnung, den Herrn des Hauses nicht aufzuregen oder zu ermüden, führte er Merrick widerwillig die Treppen hinauf zum Zimmer von Sir Andrew. Eine Flügeltür führte in einen privaten Salon, wo ein eingefallener Mann in einem zahnradbetriebenen Rollstuhl auf ihn wartete. Das Zimmer war dunkel, so wie der Rest des Hauses, nur eine einzige Gaslampe brannte, und ein wenig Licht strahlte auch das prasselnde Feuer im Kamin aus. Merrick trat ein und spürte sofort, wie sich in seinem Nacken Schweißtröpfchen bildeten.
»Sir Merrick, bitte, setzen Sie
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