Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
die Beine und merkte zu seiner Erleichterung, dass er keins verloren hatte. Und während seine Finger langsam wieder nach oben wanderten, spürte er jede Wunde, an die er sich noch nicht erinnert hatte.
Er schlug die Augen auf und nahm das Bett richtig wahr; ein schlichtes Holzbett mit sauberen Laken und einer Decke. Er drehte den Kopf nach links und verspürte wieder nur Schmerzen. Auf einem Tischchen neben dem Bett standen ein Glas und eine Karaffe mit Wasser. Über einer weißen Keramikschale lag ein sauberes Handtuch. Steels Blick fiel auf einen Stuhl, über dessen Lehne man den Uniformrock, die Breeches und die Weste gelegt hatte. Der Degen samt Gehenk und Gürtel lag auf der Sitzfläche. Die Kleidung wirkte sauber; jemand schien Rock und Hose zumindest gebürstet zu haben. An einem Haken an der Tür hing ein sauberes Hemd. Neben der Tür entdeckte Steel seine Lederstiefel, die wie poliert aussahen.
Erst da merkte er, dass er nicht allein in der Kammer war. Für einen kurzen Moment schoss wieder Panik in ihm hoch; dann hob er kurz den Kopf und erblickte Jacob Slaughter. Der Sergeant saß auf einem Korbstuhl unweit der Tür und lächelte Steel an. »Guten Morgen, Sir. Eine Tasse Kaffee?«
Steel rang sich ein gequältes Lächeln ab und spürte, wie sich die Narben in seinem Gesicht spannten. »Danke Euch, Jacob«, sagte er mit rauer Stimme. »Das wäre nett. Könnt Ihr mir sagen, wo wir sind?«
Slaughter erhob sich und ging zu dem Tisch, auf dem eine Kanne Kaffee stand. Steel sah, wie der große Sergeant die dickflüssige, fast schwarze Flüssigkeit in eine kleine, weiß-blaue Tasse füllte.
»In einem Privathaus, Sir. Gehört einer Frau namens Huber. Eine Freundin des armen Mr. Brouwer, falls Ihr Euch erinnert, Sir.«
Steel kramte in seinem Gedächtnis. Die Bilder stellten sich ein, und die grimmige Miene des Sergeants verriet ihm, dass sein Erinnerungsvermögen ihn nicht trog.
»Furchtbare Sache, Sir«, murmelte Slaughter.
Steel durchfuhr es heiß, als er an Marius Brouwer dachte. Vor seinem geistigen Auge sah er den blutigen, verstümmelten und immer noch schreienden Kopf des Flamen. Rasch schloss er die Finger um die heiße Tasse und nahm einen Schluck Kaffee. Als er dann sprach, ließ er sich Zeit und versuchte, sich die in seinem Innern schlummernde Angst nicht anmerken zu lassen.
»Wo ist Trouin jetzt?«
»Noch unter Arrest, Sir. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, dass der französische Kommandant ihn findet und freilässt. Dann geht es diesem Lieutenant gewiss an den Kragen. Wir müssen fort von hier, Sir, am besten im Schutz der Dunkelheit. Müssen zu den eigenen Linien zurück.«
Steel nippte an der Tasse. »Wie spät mag es sein?«
»Gegen fünf am Nachmittag. Ihr habt den ganzen Tag geschlafen, Sir, wie ein Kind.«
»Was ist mit Lady Henrietta?«
»Sie ist gleich nebenan, Sir. Schläft tief und fest, schätze ich, nach all den Schrecken.«
»Wie geht es ihr?«
»Sie war in ziemlich schlimmem Zustand. Weinte viel und zitterte am ganzen Körper. Der Schock, Sir. Wie die jungen Burschen bei uns, wenn ihnen die ersten Kugeln um die Köpfe fliegen. Ihr kennt das ja aus der Schlacht. Dann zittern die jungen Rekruten und plappern sich die Seele aus dem Leib. Manch einer macht sich in die Hose. Nicht, dass der Dame das passiert wäre, Sir, bitte um Verzeihung.« Slaughter errötete leicht und fuhr fort: »Es ist das viele Blut in der Schlacht, das die Jungs nicht vertragen. So wird’s auch bei ihr gewesen sein, bei all dem Blut. Und dann hat sie den armen Brouwer gesehen. Und Euch, Sir. Ihr wart kein schöner Anblick, wenn ich so sagen darf, Sir.«
Gemessen an dem Schmerz, den er verspürte, hatte Steel keine Zweifel an den Worten seines Sergeants. Erst da wurde ihm bewusst, dass jemand seine Wunden gereinigt haben musste. Jemand hatte ihm einen Verband angelegt. Mit tastenden Fingern strich er über den Stoff. Wer immer das getan hatte, war kein unerfahrener Neuling.
»Habt Ihr das gemacht, Jacob? Mich verbunden? Habt Ihr sehr gut hingekriegt.«
Slaughter musste lachen und schüttelte den Kopf. »Das war nicht ich, Sir. Miss Huber hat das gemacht. Offenbar war sie eine Zeit lang Krankenschwester für die Franzmänner.«
»Dann stehe ich in ihrer Schuld, wie auch in Eurer. Aber Ihr habt mir noch gar nicht erzählt, wie Ihr mich gefunden habt.«
»Wir wussten, dass Ihr aufgeflogen wart. Eine Schankmagd in der Taverne hatte das von einem von Trouins Männern erfahren, als er damit
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