Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
in jene Zeit, als er Arabella zum ersten Mal in London begegnet war. Hier, dachte er, liegt die junge Arabella, die Arabella, die ihn unter ihre Fittiche genommen und in ihr Herz geschlossen hatte. Und ihm alles über die Liebe beibrachte. Jene furchtlose und schamlose junge Frau, die ihm erst ein Patent für die Guards gekauft, dann aber alles darangesetzt hatte, ihn möglichst lange von den Horse Guards fernzuhalten. Tagelang hielt sie ihn in ihrem Boudoir fest, sodass er mehr als einmal aus dem Fenster hatte klettern müssen, um rechtzeitig bei der morgendlichen Parade zu erscheinen.
Lady Henrietta errötete unter seinen Blicken. Erst da machte er sich bewusst, dass er sie eine Weile angestarrt hatte. »Bitte um Vergebung, Ma’am. Es war nur so, dass ich …«
Sie nickte und lächelte. »Dass Ihr in mir etwas von meiner Cousine gesehen habt, Mr. Steel, nicht wahr?« Ihr Lächeln wirkte beinahe triumphierend, aber in ihren Augen lag keine Spur von Neid. »Darf ich Euch Jack nennen?«
»Wenn Ihr es wünscht, Ma’am. Und Eure Vermutung ist richtig. Ich entschuldige mich. Das war unhöflich von mir.«
»Im Gegenteil, ich fühle mich geschmeichelt, Captain. Meine Cousine ist eine bemerkenswerte Schönheit, und auch wenn sie zehn Jahre älter ist als ich, so hat sie nichts von dieser Schönheit eingebüßt, glaubt mir.« Sie schaute zur Seite. »Ist es schon sehr lange her, dass Ihr sie zuletzt gesehen habt?«
Steel hatte zwar die Worte vernommen, blieb der Dame aber eine Antwort schuldig. Wieder merkte er mit Verzögerung, dass er Lady Henrietta ungebührlich anstarrte. Die Ähnlichkeit war frappierend; diese Augen, die Nase und diese göttlichen Lippen, die an den Mundwinkeln leicht nach oben geschwungen waren. Auch die hohen Wangenknochen erinnerten ihn an seine Geliebte, vor allem aber das feine blonde Haar, das wie gesponnene Seide wirkte. Lady Henriettas Haar war noch vom Schlaf zerzaust und lag wie ein strahlender Fächer auf dem Kissen.
Sie bedachte Steel mit einem warmen Lächeln. »Sir, ich glaube, Ihr tut es schon wieder.«
Steel schloss die Augen und schaute weg. Kopfschüttelnd erwiderte er: »Es tut mir furchtbar leid, Mylady. Ich werde jetzt gehen. Ihr braucht Ruhe. Sobald Ihr fertig seid, müssen wir versuchen, aus der Stadt herauszukommen. Dieser Teufel Trouin mag im Augenblick noch hinter Schloss und Riegel sein, aber seine Männer werden gewiss schon nach uns suchen. Und wenn der Garnisonskommandant erfährt, was geschehen ist, wird auch er nach uns suchen lassen. Wir müssen spätestens in einer Stunde aufbrechen, Mylady.«
Sie gab einen leisen Laut des Unwillens von sich und schob die Bettdecke ein wenig nach unten, sodass die Konturen ihres Schlüsselbeins sichtbar wurden. »Bitte sagt Henrietta zu mir, wenn ich Euch Jack nennen darf. Und ich bin keineswegs müde. Setzt Euch noch zu mir. Wie wollen wir von hier fliehen?«
Er trat an das Bett und setzte sich zu der jungen Dame. Ihre weiblichen Formen zeichneten sich unter der Bettdecke ab, und Steel schalt sich im Stillen, weil er sich unfreiwillig an die halb nackte Dame in jenem Keller erinnerte. Aus der Nähe betrachtet, ähnelte sie noch mehr Arabella. Steel verspürte ein eigenartiges Verlangen. Nicht nach der Arabella, die er kannte und deren Verhalten bei Hofe ihm nur allzu vertraut war: die eifersüchtige, gerissene und intrigante Arabella. Nein, er dachte an die Arabella, wie sie einst gewesen war. Seine Arabella von damals, die nun jedoch unerreichbar war und der Vergangenheit angehörte. Doch mit einem Mal war sie wieder da und lag vor ihm im Bett … in Fleisch und Blut und greifbar nah.
»Mein lieber Captain Steel, ich schwöre, auch wenn ich es als schmeichelhaft empfinde, aber wenn Ihr mich noch einmal in dieser Weise in Augenschein nehmt, werde ich laut protestieren.«
Sie kicherte, und als sie ihn anlächelte, entdeckte er in ihren Augen mehr als nur vorübergehendes Interesse. Steel versuchte, sich selbst zur Vorsicht zu mahnen, um sich zu versichern, dass er nicht in diese Frau verliebt war. Denn es war ja nur der jugendliche Geist ihrer Cousine, der ihn derart berauscht hatte. Doch sosehr er sich auch bemühte – die Rundungen ihres Körpers und der Glanz in ihrem Augenaufschlag setzten alles Vernunftdenken außer Kraft. Ein schmerzhaftes Stechen in seinem geschundenen Rücken riss Steel jäh zurück in die gefahrvolle Gegenwart. »Wir müssen bald aufbrechen. So rasch wie möglich.«
»Aber wie sollen wir
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