Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
danken, Captain«, sagte Lejeune. »Ich weiß, dass Ihr mich wiedererkennt. Und, ja, das war eine Ehrenschuld. Aber ich hätte es für jeden getan. Das ist kein Krieg mehr, sondern kaltblütiger Mord. Schlimmer gar. Das ist nicht der Krieg, den ich zu führen bereit bin, Captain. Ich hoffe, Ihr glaubt mir, dass wir in Frankreich einen Ehrenkodex hochhalten.«
Damit wandte er sich an seine Männer und gab einen Befehl auf Französisch, worauf die hintere Reihe Soldaten vortrat und Trouins Männer gefangen nahm. In Zweiergruppen band man sie zusammen.
Doch der Piratenanführer lachte wieder nur. »Glaubt Ihr, diese paar betrunkenen Lümmel sind alles, was ich habe, Lieutenant? Wisst Ihr denn nicht, dass noch viel mehr Leute meiner Crew oben in der Taverne sind, und ebenso auf den beiden Schiffen unten im Hafen? Meint Ihr nicht, dass sie mich retten werden?«
Lejeune tat die Worte mit einem Schulterzucken ab. »Eure Männer in der Schänke sind bereits auf dem Weg in die Zellen, Monsieur. Was die anderen im Hafen betrifft, so werden wir sehen. Doch bald stehen wir vor weitaus schwierigeren Problemen. Wir erhalten Berichte, dass die Briten uns bald angreifen. Höchstwahrscheinlich im Morgengrauen. Im Augenblick bereitet mein Major sich darauf vor, die Stadt zu verteidigen.«
»Sprecht Ihr von Malbec?«, fragte Trouin. »Was weiß er? Weiß er von alldem hier? Ich kann mir kaum vorstellen, dass er Euch befohlen hat, mich festzunehmen.«
»In der Tat, den Befehl hat er nicht erteilt. Ich kam aus eigenem Antrieb hierher. Und ich danke Gott dafür.«
***
Während einige Soldaten zurückblieben, um den blutverschmierten Leichnam Brouwers fortzuschaffen, verließen die anderen den Folterkeller. Lejeune stützte Lady Henrietta, dahinter folgten Steel und Slaughter. Danach kam Trouin, und hinter ihm trieben die Soldaten mit ihren Bajonettspitzen die gefesselten Piraten vor sich her. Für Steel war jede Treppenstufe, die ihn dem Tageslicht näherbrachte, ein Martyrium. Doch er gab keinen Laut von sich, auch wenn bei jedem Schritt die Schmerzen zunahmen und sich wie eine glühende Klinge in seinen Leib bohrten. Sie erreichten die Schankstube, in der kein Pirat mehr anzutreffen war, und betraten schließlich die Straße. Es war noch früh am Morgen, und die Glocken der großen Kirche läuteten zur Frühmesse. Steel drehte den Kopf zu Slaughter und lächelte. Endlich hatte er die Sprache wiedergefunden. »Verdammt, Jacob, Ihr habt Euch viel Zeit gelassen.« Und noch während er sprach, spürte er, dass ihm die Knie weich wurden. Die Welt um ihn herum wurde verschwommen, und Steel ließ sich dankbar in die samtene Dunkelheit fallen.
13.
Steel fuhr erschrocken aus unruhigem Schlaf. Der Albtraum war furchtbar real gewesen, der Schmerz förmlich zu spüren. Erschöpft und schweißgebadet lag er flach auf dem Rücken. Als er die Augen öffnete, nahm er das Licht wahr, das durch ein kleines Zwillingsfenster fiel. Wie gebannt blickte er auf die Schatten, die der Mittelpfosten des Fensters an die Decke warf. Steel hatte nicht die leiseste Ahnung, wo er sich befand, und vermochte nicht zu sagen, wie er überhaupt hierher gekommen war.
Draußen hörte er die Schreie der Möwen und wähnte sich in einem Hafen, auf jeden Fall unweit der Küste. Allmählich fügte sich in seinem verwirrten Geist ein Bild zusammen, in dem düstere Ahnungen schlussendlich einer Flut ungeordneter Erinnerungen wichen. Ostende. Ein Auftrag von Hawkins. Eine junge Frau. Blut. Zu viel Blut. Einer Eingebung folgend, wollte er sich aufrichten. Zögerlich streckte er den rechten Arm aus und spürte, wie ihm ein glühender Schmerz bis in die Fingerspitzen schoss. Dann verlagerte er sein Gewicht auf den linken Ellbogen und versuchte, sich mühsam aufzusetzen. Und während er sich plagte, brachte ihm der Schmerz im Rücken, den Armen und der Magengegend eine herbe Gewissheit ins Bewusstsein.
Steel kniff die Augen zusammen und ließ sich zurück ins Bett sinken. Erst jetzt fügten die Erinnerungen sich weiter zusammen, und in diesem schrecklichen Moment wurde Steel bewusst, dass es doch kein Traum gewesen war.
Er durchlebte das ganze Entsetzen seines Martyriums erneut. Und in diese hässlichen Bildfetzen mischte sich ein Gefühl von Panik. Doch dann entsann er sich seiner Errettung und ahnte, dass er im Augenblick im Haus eines Freundes untergebracht war. Ein wenig entspannte er sich und strich sich über den Oberkörper – er war unbekleidet. Er fasste sich an
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