Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
trat ans Fenster und schaute hinab auf die Stadt. Das war es also. Nachdem er aus den Foot Guards ausgetreten war und sich aus St. James’s zurückgezogen hatte, hatte er geglaubt, er könne sich auf Dauer der Aufmerksamkeit jener Frau entziehen, deren Liebe ihm ursprünglich eine Karriere in der Armee ermöglicht hatte.
Arabella Moore war die Gemahlin eines Direktors der Bank von England, eines bedeutenden Großgrundbesitzers. Als jüngere Tochter eines Landgeistlichen hatte sie eine gute Partie gemacht. Aber die liebliche Arabella war fünfzehn Jahre jünger als ihr Gemahl. Und gewissen Leuten aus gehobenen Kreisen war schnell klar gewesen, dass der werte Gemahl trotz seines Reichtums und der offensichtlichen Fürsorglichkeit in manchen Belangen nicht den unersättlichen Appetit seiner jungen Braut zu befriedigen vermochte. Steel war sofort von der atemberaubenden Schönheit und der ansteckenden Fröhlichkeit dieser Dame hingerissen gewesen. Sie waren einander bei einem Tanz in Edinburgh begegnet, in den Versammlungsräumen eines gewissen Mr. Patrick in der High Street.
Steel war damals ein leicht zu beeindruckender Jüngling von achtzehn Jahren gewesen, die teure Arabella eine gesellschaftlich hochstehende verheiratete Frau von achtundzwanzig. Aus der Tändelei eines Sommers war schließlich mehr geworden, und als Arabella nach London zurückkehrte, war sie nur zu gern bereit, für ihren jungen Liebhaber das Offizierspatent bei den Foot Guards zu kaufen. Und so hatten sie einander fünf herrliche Jahre lang genossen und gaben Acht, die Affäre geheim zu halten. In dieser Zeit war Steel vom Jüngling zum Mann gereift und hatte zunächst seiner Geliebten und seinem Regiment die gleiche Leidenschaft entgegengebracht. Erst nach und nach war ihm eins bewusst geworden: Während das Schlafgemach ihm Freuden bot, die nicht lange währten, war seine Affäre mit der Armee ohne sein Wissen zu einer viel fesselnderen Beziehung erblüht.
Daher hatte er seine Liebe zu Arabella vernachlässigt und immer mehr Zeit mit seiner anderen Geliebten verbracht. Abends hielt er sich in der Offiziersmesse auf, morgens auf dem Exerzierplatz. Als andere Männer aus den Kriegen in Flandern zurückkehrten und Steel deren Geschichten begierig einsog, verblassten die Pflichten des Drillplatzes, die ihm zunächst so großartig vorgekommen waren, nach und nach. Der Friede von 1697 schien sein Schicksal zu besiegeln. Aber Steel wollte sich im Kampf beweisen. Und mit listenreichem Vorgehen, das er sich bei seiner Geliebten abgeschaut hatte, gelang es ihm, sich bis in einen Kreis von Offizieren vorzuarbeiten, die unmittelbar mit dem Kommandostab der schwedischen Armee in Kontakt standen. Denn zu diesem Zeitpunkt befand Schweden sich im Krieg mit Russland. Allerdings war ihm gleich klar gewesen, dass drastischere Maßnahmen vonnöten waren, um sich von Arabella loszusagen.
Daher hatte Steel geglaubt, der Eintritt in Farquharsons Regiment und der neue Krieg würden genügen. Doch jetzt hatte die Dame ihn erneut mit teuflischem Geschick aufgespürt. Dadurch hatte sie ihn in eine Lage gebracht, in der es ihm praktisch unmöglich war, den ehrenvollen Auftrag abzulehnen, den man ihm angeboten hatte. Denn wenn er für diese Aufgabe direkt von Sarah Churchill, der Gemahlin des Oberkommandeurs und Vertrauten der Queen, empfohlen worden war, konnte er unter keinen Umständen ablehnen, wie auch immer die Dinge sich entwickelten. Die verfahrene Situation brachte ihn sogar zum Lächeln. Wie klar und deutlich sein Weg doch vorgezeichnet war!
Er wandte sich Hawkins zu. Hansam sah, dass sein Freund ein breites Lächeln aufgesetzt hatte.
»Gewiss, Colonel, ich nehme den Auftrag an. Was sollte ich anderes tun? Ich fühle mich geehrt. So sagt mir bitte: Wann brechen wir auf? Wie viele Leute brauche ich? Darf ich bestimmen, welche Männer mitkommen? Könnt Ihr mir noch genauere Informationen geben? Gibt es schon Pläne? Namen?«
Hawkins klopfte ihm auf die Schulter. »Wartet, mein Junge, nur Geduld. Alles der Reihe nach. Ich habe für Euch ein Treffen mit Marlborough arrangiert. Denn er möchte den Mann kennenlernen, der ihm so warm empfohlen wurde. Und dann werdet Ihr aufbrechen. In gut vier Tagen.«
Steel zog die Brauen hoch. In vier Tagen. Zeit genug vermutlich, um seine Männer zusammenzutrommeln.
»Und Ihr werdet Gesellschaft haben«, fuhr der Colonel fort. »Ein Fähnrich der Grenadiere wird sich Euch anschließen, der erst vor Kurzem aus England
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