Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
Bibel, eine der wenigen Habseligkeiten, die sie von der Schänke hatte mitnehmen können.
Lächelnd schaute sie auf. »War es schlimm?«
»Nein, keineswegs. Es ist nur hart, wenn man zugeben muss, dass man versagt hat.«
»Werdet ihr in die Schlacht ziehen?«
»Morgen vielleicht. Wahrscheinlich aber noch einen Tag später.«
»Kannst du denn schon wieder kämpfen, Jack? Dein Bein ist noch nicht ganz gesund.«
»Es wird schon gehen. Und ich muss kämpfen. Ich habe den Befehl, in die Schlacht zu ziehen. Ich muss die Papiere finden. Und Jennings töten.«
Bei dem Namen erstarrte Louisa. »Aber wie willst du das machen? Wie willst du ihn finden?«
»Ich werde bald sehr genau wissen, wo er sich aufhält. Denn ich kenne einen Mann, der ihn aufspüren wird. Jennings hatte einen Sergeant, einen üblen Gesellen. Und du kannst mir glauben, dass dieser Sergeant Stringer seinen Herrn finden wird. Er würde alles tun, um seinen Hals zu retten. Glaube mir, Louisa, ich werde ihn finden. Und dann werde ich ihn töten.«
»Nein.«
»Nein? Du willst nicht, dass er stirbt?«
»Nein, ich möchte nicht, dass du ihn tötest. Das ist mein Vorrecht.«
Steel konnte sie für ihren Mut und ihre Leidenschaft nur bewundern. »Und wie willst du das schaffen?«
»In der Schlacht. Mit dir. Du findest ihn, und dann erschieße ich ihn.«
Steel lachte, wurde aber schnell wieder ernst, weil er Louisa nicht in ihren Gefühlen verletzen wollte.
»Meine liebe Louisa. Wenn du neben mir im Getümmel der Schlacht stehen würdest, könntest du von Glück reden, wenn du mit dem Leben davonkämst. Auf dem Schlachtfeld werden an die hunderttausend Mann sein.«
Sie schwieg. Jack hatte recht. Es war eine verrückte Idee. Aber wenn Jennings schon sterben sollte, so wusste Louisa im Innersten ihres Herzens, dass ihr allein das Recht zustand, ihn zu töten. Sie schaute zu Steel auf, und in ihren flehenden Augen schimmerten Tränen.
Steel spürte ihren Schmerz, streckte die Hand nach ihr aus und legte sie ihr um die Taille.
»Wirst du es tun, Jack?«, fragte Louisa. »Bitte, nimm mich mit in die Schlacht. Bring mich zu Jennings. Lass mich ihn töten. Dann werde ich frei sein.«
»Das kann ich nicht. Du könntest umkommen oder verstümmelt werden. Mit dieser Schuld könnte ich nicht leben.«
Steel fröstelte.
»Ist dir kalt?«, fragte Louisa. »Hast du wieder Fieber?«
»Nein, es ist nichts.«
Louisa schlang einen Arm um ihn und schmiegte den Kopf an Steels Brust. »Wie wird es sein in der Schlacht?«
»Es wird laut sein, hart und blutig. So etwas hast du in deinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Und du würdest dir wünschen, es nie wieder zu erleben.«
Steel betrachtete sie, wie sie dasaß und sich an ihn schmiegte. Er hatte sich sehr schnell an sie gewöhnt. Liebe hin oder her, sie war seine Geliebte geworden, und die letzten Nächte hatte sie, befreit von den täglichen Sorgen, in seinen Armen gelegen. Was der nächste Tag auch bringen mochte, sie hatten noch die kommende Nacht. Louisa lächelte ihn an und zog ihn dann langsam hinunter auf das kleine Feldbett.
***
Aubrey Jennings war zunächst nach Süden geflohen, auf der einzigen Straße, die seines Wissens vom Lager der alliierten Armee wegführte. Zwei Tage war er schnell geritten, bis er in die Vororte von Augsburg kam. Dort hoffte er, auf die Franzosen zu stoßen. Stattdessen geriet er an einen Trupp bayerischer Infanteristen, die sich auf dem Rückzug befanden und sofort das Feuer auf ihn eröffneten, kaum dass sie seinen roten Uniformrock sahen.
Nach diesem Zwischenfall hielt der Major es für vernünftiger, den Fluss zu überqueren und weiter in nordwestlicher Richtung zu reiten. Doch ohne Karte hatte er sich bald hoffnungslos verirrt. Die Gegend war bewaldeter als zuvor, und Jennings stieß immer wieder auf Bauern, die ziellos umherstreiften, da man ihre Gehöfte niedergebrannt hatte. Ein paarmal kaufte er den Leuten Nahrung und Bier ab, aber später erwies sich der rote Uniformrock erneut als hinderlich; daher trug Jennings das Innenfutter nach außen – denn der Rock war innen weiß und ähnelte den Uniformen der französischen Truppen.
Schon bald scheuerten die Epauletten, Knöpfe und anderen Verzierungen auf seiner Haut, sodass Jennings am zehnten Tag seiner Flucht, in den großen Waldgebieten Schwabens, das britische Rot der Uniform trug. Es war Pech, dass er noch am selben Tag von einem Trupp Reiter entdeckt wurde, die er zu Recht für alliierte Kavalleristen hielt.
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