Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
verlaufen.
»Habt Ihr wirklich vor, ihn in der Schlacht zu töten, Sir? Diesen Jennings?«
Williams’ Stimme holte Steel in die Gegenwart zurück. Er nickte, war er doch davon überzeugt, dass er irgendwo in der Hölle aus Ruhm und Vernichtung den Major finden würde. Dafür hatte er gesorgt.
»Seid Ihr sicher, dass Sergeant Stringer Euch zu ihm führen wird?«
»Tom, wenn dieser kleine Mann für irgendetwas taugt, dann für das Aufspüren von Ungeziefer. Er hat einen Riecher für verrottetes Fleisch. Und Jennings ist nicht mehr als fauliges Aas. Außerdem weiß Stringer, dass er erst Schonung erwarten darf, wenn er seinen Auftrag erledigt hat.«
Steel dachte noch einmal an das Gespräch, das er früher am Tag mit Stringer geführt hatte. Verständlicherweise verabscheute der Sergeant ihn, weil Steel ihm in Bachweiden die unangenehme Verletzung beigebracht hatte. Da Steel die Gesellschaft dieses Speichelleckers als unerträglich empfand, hielt er das Treffen so kurz wie möglich. Bislang hatte Steel noch niemandem verraten, welche Rolle Stringer bei Jennings’ Mordversuch gespielt hatte. Denn Steel bewies Weitblick. Im Augenblick nämlich konnte er die Fähigkeit dieses Mannes, andere zu täuschen, für seine eigenen Belange nutzen. Wusste er doch, dass Stringer – der treue Hund, der zum Judas wurde – kein Schamgefühl besaß. Vielleicht spekulierte dieser Kerl sogar darauf, in Steel einen neuen Herrn zu finden. Aber in diesem Punkt irrte er sich.
»Ich hoffe, Ihr findet Major Jennings und tötet ihn.«
»Das hoffe ich auch, Tom. Aber jetzt solltet Ihr versuchen, noch etwas Schlaf zu finden. Wir wollen ja nicht, dass Ihr mitten in Eurer ersten Schlacht einschlaft, oder?«
Williams humpelte zu seinem Schlafplatz. Irgendwo in der Ferne bellte ein Hund. Steel schlenderte zu seinem Zelt zurück. Inzwischen verzichtete er auf den Gehstock. Dafür hatte er in der Schlacht keine Verwendung. Sein Bein fühlte sich gut an. Er konnte wieder fester auftreten, fest genug, um sich den Franzosen zu nähern.
Beim Zelt angekommen zog er den Kopf ein und trat ins Innere. Sein Blick fiel wieder auf Louisa, deren goldblondes Haar wie ein Goldregen auf dem Kissen strahlte. Offenbar hatte sie ihn gehört, denn sie schlug die Augen auf. Lächelnd hielt sie ihm die Decke auf.
Später, als sie in den frühen Morgenstunden in seinem Arm lag, spürte Steel, wie unruhig Louisa im Schlaf war, nicht zuletzt deshalb, weil sich draußen inzwischen die Soldaten zum Abmarsch bereit machten. Er zog Louisa enger an sich, versuchte, die beharrlichen Trommelwirbel auszublenden und schloss die Augen. Doch es war umsonst. Die Dämmerung ließ sich nicht fortwünschen.
9.
Der Nebel, der des Nachts tief über den Donaumarschen gehangen hatte, löste sich allmählich in der Morgensonne auf. Alles sah nach einem ungewöhnlich heißen Sonntag im August aus. Inzwischen konnten die Aufklärer der französischen Kavallerie erkennen, dass sich ihren Blicken nicht die Vorhut einer marschierenden Armee bot. Von dem Aussichtspunkt auf der Anhöhe nördlich des Dorfes Blindheim blickte Marschall Tallard verblüfft auf die Schlachtreihen der gesamten alliierten Armee hinunter, die in einer Entfernung von einer Meile aufmarschiert war. Als Erstes zählten seine Generäle die Standarten, um die Anzahl der Bataillone im Feld abzuschätzen. Doch als die Zahl immer größer wurde, erkannten die Offiziere, wie stark die Streitkräfte waren. Daher beschlossen sie, die Soldaten zu wecken.
Gegen neun Uhr traf sich Tallard, der noch ganz außer Atem war, mit Marschall Marsin und dem Kurfürsten auf dem Kirchturm von Blindheim. Dort überlegten die drei Kommandeure, wie sie ihren Sieg am besten perfekt machen könnten. Denn keiner der Herren bezweifelte, dass der englische Herzog mit dieser außergewöhnlichen Aktion den Untergang seiner gesamten Armee heraufbeschworen hatte.
Auf der anderen Seite der Ebene ritt Marlborough auf seiner grauen Stute weiter an den langen Reihen der rot uniformierten Infanterie vorbei. Sein Gefolge bestand aus Cadogan, Cardonell, Hawkins und allen übrigen Generälen. Der Herzog hatte keine Eile, betrachtete die Männer aufmerksam und sorgte dafür, dass möglichst viele Soldaten ihn auch gut sehen konnten. Die Männer kannten ihn bestens: das graue Pferd, die prächtige rote Uniform mit ihrem Litzenbesatz und anderen Verzierungen. Am auffälligsten war jedoch die blaue Schärpe des Hosenbandordens.
Eins stand für den Herzog
Weitere Kostenlose Bücher