Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
riskieren sie, dass sie ihre eigenen Leute im Dorf treffen. Vielleicht geht es ihnen auch gar nicht um die Männer, aber stellt Euch vor, eine dieser schweren Kugeln trifft die Verteidigungswälle. Dann klafft dort eine Bresche für uns.«
Endlich hatten sie eine Atempause von dem schrecklichen Geschützfeuer, das sie seit über drei Stunden terrorisierte. Aber Steel ahnte, dass sie jeden Moment in einen ebenso tödlichen Beschuss laufen würden. Inzwischen konnte er die Infanteristen ziemlich gut in ihren Stellungen erkennen. Hellgraue Uniformröcke, rote Westen. Was waren das für Truppen? Aus Navarra, glaubte er. Oder das Regiment d’Artois. Er sah auch die Musketenläufe aufblitzen, die bedrohlich aus den Stellungen ragten. Kommt schon, dachte er, ihr müsst doch jetzt das Feuer eröffnen. Feuert, verdammt noch mal!
Als hätte man ihn gehört, ertönte auf eine Entfernung von unter dreißig Metern der Knall der ersten Musketen. Die heißen Bleigeschosse, keinen halben Zoll im Durchmesser, jagten in die Reihen der Rotröcke. Zu viele fanden ihr Ziel. Steel sah, wie Männer zurücktaumelten, als wären sie von einer unsichtbaren Faust getroffen worden, und gegen die nachrückenden Soldaten prallten.
Eine Kugel flog Steel am Kopf vorbei und traf den Mann links hinter ihm, McLaren, tödlich an der Schläfe.
Doch immer noch gelang es den abgeklärten Sergeanten, die Lücken in den eigenen Reihen zu schließen. Die Grenadiere rückten auf einer Linie vor. Die Blicke geradeaus gerichtet stapften sie über die Körper der toten oder sterbenden Kameraden hinweg. Slaughter hatte recht. Das hier war Irrsinn. Sie stürmten eine gut befestigte Stellung und waren dem feindlichen Beschuss schutzlos ausgeliefert. Die britischen Kanonen feuerten zwar, aber die Entfernung war zu groß, und Marlborough hatte andere Sorgen.
Dies war noch schlimmer als der Schellenberg. Dort hatten die Verteidiger bald die Beine in die Hand genommen. Hier jedoch sah Steel, dass die Franzosen sich hinter ihren Verschanzungen drängten und abwarteten. Nein, sie würden nicht davonlaufen. Konnten es nicht. Sie würden feuern und die Stellung halten, bis die Rotröcke sie erreichten. Falls wir überhaupt so weit kommen, dachte Steel. Er hörte, wie die französischen Offiziere Befehle gaben. Die Trommeln verstummten, und die Burschen zwängten sich durch die Reihen hindurch nach hinten. Genau in diesem Augenblick vernahm Steel über den Lärm hinweg einen französischen Befehl.
»Tirez!«
Dann brach die Hölle los, als ein neuerlicher Geschosshagel mit voller Wucht auf die Rotröcke niederging. Linker Hand sah Steel, wie sich einer der Männer wie zur Abwehr die Hand vors Gesicht hielt; er ging in einem Hagel aus Blei unter. Die Franzosen werden nicht weichen, dachte er. Sie bleiben stehen. Selbst gegen uns. Gegen die besten Truppen von Marlboroughs Armee. Oh ja, die Franzosen halten ihre Stellung. Aber wir werden sie dafür zahlen lassen.
Als sie noch fünfzehn Meter entfernt waren, drehte Steel den Kopf zur Seite und rief über die Schulter: »Granaten zünden!«
Die vordersten Grenadiere nahmen je eine Bombe aus der Granattasche und hielten die Zündschnur an die stetig glimmende Lunte, die an den Bandeliers befestigt war.
Im nächsten Augenblick hatten die Rotröcke ihr Ziel erreicht. Die Palisaden. Steel sah, wie Brigadier Rowe weiter links hart mit dem Knauf seines Degens gegen das Holz hämmerte. Auf das Zeichen des kommandierenden Offiziers hin kam die gesamte erste Linie der Brigade zum Stehen.
Steel rief über den Lärm hinweg: »Grenadiere! Werft die Granaten!«
Gleichzeitig schleuderten die vordersten Männer der Kompanie ihre Bomben über die Verteidigungsanlagen und traten dann ein paar Schritte zurück, als die schwarzen Metallkugeln inmitten der Franzosen landeten. Steel zählte acht Explosionen und hörte Schreie, aber die Granaten hatten bislang keine der Verschanzungen beschädigt, auch wenn ihr Einsatz tödlich gewesen war. Steels Blick fiel wieder auf Rowe. Erneut hämmerte der Brigadier mit dem Degen gegen einen umgestürzten Wagen, den die Gegner geschickt in die Palisaden eingebaut hatten. Diejenigen Grenadiere, die keine Bomben geworfen hatten, traten nun einen Schritt vor. Slaughter gab das Kommando.
»Anlegen.«
Die Männer der gesamten Brigade brachten ihre Musketen in Anschlag.
»Feuer!«
Das Mündungsfeuer lief wie eine prasselnde Zündschnur die Linie entlang, und die Welt um Steel wurde zu einem Strudel
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