Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
auf der Welt einen Beschuss alle zehn Sekunden aushielten?
Lautstark gab er die Befehle. »Auf halbe Distanz vorrücken. Bereit machen.«
Entlang der Linie spannten die Männer die Hähne der Musketen. Die Soldaten in der vordersten Reihe gingen jeweils auf das rechte Knie und hatten die Kolben auf den Boden gestellt; die Daumen am Hahn, die Zeigefinger am Abzug. Die Männer in der zweiten und dritten Reihe positionierten sich ebenfalls.
»Sergeant, alle in Reih und Glied halten. Die Musketenläufe nach unten. Ihr kennt ja den Drill. Die jungen Burschen denken sonst, dass wir auf Rebhühner schießen.« Er wandte sich den Reihen zu. »Anlegen!«
Entlang der Kompanie und weiter entlang der langen Linie des Regiments legten die Soldaten in allen drei Reihen an: Tower-Armoury-Waffen, die besten Musketen, die man bekommen konnte. Vierundsechzig Zoll lang, mit Messing beschlagen und mit Kaliber .76 versehen.
Mit einem Lächeln auf den Lippen schritt Slaughter die Linie der Grenadiere ab und brachte die Gewehrläufe mithilfe seiner Pike auf eine Höhe, bis die Musketen grob auf Bauchhöhe des Feindes zielten. Auf Kopfhöhe verfehlten erfahrungsgemäß zu viele Kugeln ihr Ziel. Aber ein Schuss, der in den Oberkörper drang und ein lebenswichtiges Organ traf, setzte einen Gegner für den Rest des Kampfes außer Gefecht – selbst wenn der Treffer nicht tödlich war.
Steel spürte, dass jemand hinter ihm stand. Als er sich umdrehte, gewahrte er den widerwärtigen Adjutanten des Regiments, Major Frampton, der vom Rücken des Pferdes auf Steel herabsah. Langsam ritt der Major an den Reihen vorbei und nickte Steel wie beiläufig zu: »Steel, wünsche einen guten Tag. Eure Männer scheinen Biss zu haben. Haltet sie vorne. Es sind Grenadiere, das wisst Ihr ja.«
Das Kompliment war geheuchelt, das sah Steel an dem säuerlichen Lächeln des Majors, der weitergeritten war und in diesem Augenblick die andere Flanke erreichte. Steel fragte sich, wie lange Frampton überleben mochte. Unpopuläre berittene Offiziere – und es gab kaum unbeliebtere Männer als Frampton – eigneten sich als hervorragendes Ziel, wenn man einen ausgezeichneten Schützen im Bataillon hatte. Doch Steel wischte das Gedankenspiel beiseite und widmete sich wieder den dringlicheren Aufgaben.
Framptons Stimme legte sich über den Lärmpegel des Bataillons: »Erste Salve … Gebt acht … Feuer!«
Doch inzwischen hatten die Franzosen nachgeladen, und als die britische Linie das Feuer eröffnete, kam die prompte Antwort aus den Reihen des Gegners. Steel hatte das Gefühl, die Luft sei erfüllt von einem wahren Hagel aus Musketenkugeln. Er sah, wie die Männer entlang der von Rot dominierten Linie fielen. Aber nachdem die Pulverschwaden sich aufgelöst hatten, gewahrte er, dass auch die Franzosen Verluste zu beklagen hatten. Die Trommlerburschen des Regiments erzeugten kurze Wirbel, die den Soldaten anzeigten, sich für die nächste Salve bereitzuhalten.
Erneut war Framptons Stimme zu vernehmen: »Zweite Salve … Feuer!« Der zweite Zug feuerte in die Reihen der grau uniformierten Linien und schickte weitere Franzosen zu Boden. Da die Gegner zu langsam waren und noch nicht nachgeladen hatten, konnten sie das Feuer nicht erwidern.
Wieder schwollen die Trommelwirbel an. Und abermals dröhnte der Befehl über die Köpfe der Soldaten hinweg: »Dritte Salve!« Diesmal waren die Grenadiere gefragt. Steels Kameraden spannten die Hähne.
»Feuer!« Dem ohrenbetäubenden Lärm der Musketen folgten wabernde weiße Pulverwolken. Steel ahnte, dass die Franzosen inzwischen arg unter dem Beschuss litten. Und das alles war innerhalb von dreißig Sekunden über den Gegner hereingebrochen. Theoretisch sollten 2000 Mann in der Lage sein, in einer einzigen Minute bis zu 10 000 Kugeln abzufeuern. Während Steel den Blick die Linien der Brigade entlangschweifen ließ, fragte er sich, ob die Theoretiker an diesem Tag recht behalten würden.
»Grenadiere!«, rief er. »Nachladen! Bereithalten!«
Inzwischen hatte die erste Abteilung längst nachgeladen und gab die nächste Salve ab. Und so ging es weiter. Ein Außenstehender hätte keine einzelne Salve herausgehört, nur ein unablässiges Feuern, das entlang der Reihen der Alliierten wogte. Den Franzosen gelang es zwar, das Feuer erneut zu eröffnen, aber der Hagel aus den britischen Reihen kam unerbittlich, unablässig und tödlich.
Den Peloton-Beschuss hielten die Briten geschlagene fünf Minuten aufrecht. Dreißig Salven
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