Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
seine Leute den stechenden Schmerz der Musketenkugeln zu spüren bekommen, sobald die Franzosen ihre Salven abfeuerten.
Ein Blick nach rechts verriet Steel, dass die Gegner sich parallel zu den Überresten von Cadogans ursprünglicher Streitmacht aufbauten.
Plötzlich sprengten linker Hand drei Reiter heran. Steel kannte einen der Männer: den Herzog von Argyle. Von hinten gab Frampton einen Befehl, worauf sich der Rhythmus der Trommeln veränderte. »Rechts schwenk.«
Wie aus einem Guss änderte die Linie Rotröcke die Richtung, ehe die Soldaten, angeführt von dem schottischen General, weiterhin die Anhöhe nahmen, ohne sich von den Geschützen einschüchtern zu lassen.
Wieder ein neuer Irrsinn, schoss es Steel durch den Kopf. Wenn jetzt eine Kanonenkugel traf, würde sie die Männer erfassen und wie Kegel hinwegfegen. Wie nicht anders zu erwarten, schlugen die ersten Kugeln ein. Als Steel hinter sich einen Schrei vernahm, drehte er sich um und sah, wie ein Grenadier zu Boden ging. Die Kugel hatte ihm den Kopf abgerissen. Blut quoll aus dem Rumpf, und die Gamaschen des Burschen waren noch gelb vom Erbrochenen. Einer der jungen Rekruten, dachte Steel. Armer Kerl.
Doch im selben Moment machte er sich wie jeder andere Soldat unter feindlichem Beschuss bewusst, dass es auch ihn hätte treffen können. Mit einem stummen Gebet dankte er der Vorsehung, dass sie ihn verschont hatte – wieder einmal.
Als er nach links schaute, bemerkte er, dass die feindliche Infanterie dort in die Flanke der Alliierten eingebrochen war. Einige Bataillone der Preußen und Hannoveraner in Blau und Rot hatten es nach den Briten über die Pontonbrücken geschafft und mühten sich die Anhöhe hinauf, ehe sie in Bedrängnis gerieten. Die Rotröcke indes passierten inzwischen geschlossen den Weiler Schaerken, in dem sich kein Einwohner mehr aufhielt, wie es aussah. Noch war die Siedlung nicht allzu schwer beschädigt worden, doch ein Haus hatte Feuer gefangen. Zum Glück nicht die Schänke, dachte Steel.
Er deutete in Richtung des Tavernenschildes und rief mit lauter Stimme: »Na bitte, Jungs. Hab ich euch nicht gesagt, dass ich einen ausgebe, wenn wir dieses Feld nehmen? Da steht das verdammte Wirtshaus. Folgt mir zu den Franzosen. Sobald wir gesiegt haben, wird sich der Herzog bestimmt nicht lumpen lassen. Er wird euch alles bezahlen, was da auf der Speisekarte steht.«
Die Antwort waren Jubelrufe, doch sie kamen nur von den Veteranen. Die jungen Burschen rückten zwar weiter vor, sagten aber kein Wort.
Wieder krachte eine Kanonenkugel in die Reihen der Grenadiere und hinterließ ein Gemenge aus Toten und stöhnenden Verletzten. Doch irgendwo aus dem Durcheinander erklang eine Singstimme. Schütze Coles tat, was er immer tat, wenn sie unter feindlichem Beschuss standen: Er versuchte, die Kugeln mit einem inbrünstigen Gebet abzuwehren. So stimmte er auch diesmal ein geistliches Lied an, das nicht nur in Steels Ohren anders klang als die üblichen, eingängigen Melodien der Armee:
»Lobe den Herrn, meine Seele,
und was in mir ist,
seinen heiligen Namen.
Lobe den Herrn, meine Seele,
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan.
Der dir alle deine Sünden vergibt
und heilet alle deine Gebrechen.
Der dein Leben vom Verderben erlöst,
dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit …«
Der Soldat war gewillt, weiterzusingen, aber während die Grenadiere über die Toten und Verwundeten stiegen und sich bemühten, nicht auf die sich am Boden windenden Kameraden zu treten, vernahm Steel eine andere Stimme, die den Singsang überlagerte.
Es war Slaughter, der sich grollend einmischte: »Coles, ich geb dir gleich deine verdammte Barmherzigkeit. Hier gibt es keine Barmherzigkeit, Mann! Auch keine Freundlichkeit. Und jetzt hör auf mit diesem Lärm!«
»Aber Sergeant, das ist der einhundertdritte Psalm. Es sind die Worte des Herrn.«
»Es ist mir egal, welcher Psalm es ist, verdammt noch mal. Von mir aus hätte deine heilige verdammte Mutter das ganze verfluchte Buch schreiben können! Lass die Klagegesänge sein, oder du bist bis zum Ende des Monats unter meiner Fuchtel. Falls du diese Schlacht überlebst, wohlgemerkt, was ich bezweifle, denn du bist dem Allmächtigen ja schon so nah! Er freut sich bestimmt schon, dich zu sehen, Coles, weil du immer so viel mit ihm sprichst. Aber ich hab noch keine Verabredung mit ihm, halt also deine verfluchte Klappe, sonst kriegst du’s mit mir zu tun. Das Letzte, was ich hier auf dem Schlachtfeld brauchen
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