Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
während sie den Fluss überquerten, wurden sie von keinen französischen Geschützen erfasst. Offenbar hatten die Geschützmannschaften drüben Bedenken, die eigenen Leute zu treffen, und feuerten daher nicht.
Sowie die Rotröcke die Brücke hinter sich gelassen hatten, erklommen sie eine leichte Anhöhe. Das Bataillon drängte nach. Steel vernahm die Stimme des Adjutanten, der das Kommando über das Regiment übernahm. »Bataillon in Linienformation. Rechts schwenk marsch.«
Zeitgleich rief Steel seiner Kompanie zu: »Formieren. Rechts um. Zweiter Zug auf der Stelle marschieren. Links formieren.«
Steel sah, wie Hansam sich mit seiner halben Kompanie von Steels Männern löste und den Platz an der linken Flanke des vorrückenden Regiments einnahm. Nur so war sichergestellt, dass beide Flanken von den Elitekämpfern gedeckt waren.
Williams, Slaughter und die anderen Sergeants achteten auf die Formation, als Steels Grenadiere nach rechts schwenkten, gefolgt von den anderen acht Kompanien des Regiments. Binnen Sekunden marschierten die Männer in östlicher Richtung weiter. Steel führte sie an. Sechzig Schritte. Einhundert. Das musste reichen.
»Links schwenk!«
Wieder änderten die Grenadiere die Laufrichtung, schwenkten einstudiert nach links und sahen sich wie durch ein Wunder der Choreographie den vordersten Linien der Franzosen gegenüber. Weiter links hatten die übrigen acht Kompanien des Regiments das gleiche Manöver absolviert und bezogen in regelmäßigen Abständen Aufstellung.
Steel versuchte, sich einen Moment lang zu entspannen. Die erste Aufgabe war geschafft. Slaughter schritt an der Linienformation entlang und brachte mit der Halbpike Ordnung in die Reihen. Steel sah, dass Colonel Farquharson nach vorn ritt, in Begleitung von Major Frampton und den Trommlerburschen des Bataillons. Die Jungen in ihrer Livree aus goldenen und blauen Farben waren aschfahl vor Angst. Abermals hob der Colonel die Hand und wies mit lang ausgestrecktem Arm auf den Feind. Dann, langsam und gedehnt, gab er seinem Regiment den Befehl zum Angriff.
»Vorrücken!«
Steel riss seinen breiten Degen hoch in die Luft und schwenkte ihn dreimal über seinem Haupt. Vielleicht eine etwas theatralische Geste – beeinflusst von französischer Galanterie –, aber er hatte sich längst daran gewöhnt, und die Männer schienen stets darauf zu warten. Es feuerte sie geradezu an.
Laut wiederholte er den Befehl zum Vorrücken. Er ließ sich Zeit mit der ersten Silbe und zeigte dann mit Betonung auf den letzten Silben mit der Waffe auf die feindlichen Linien. Erst dann legte er sich die Degenklinge flach über die Schulter. Während die Trommeln den beharrlichen Rhythmus des Grenadiers-Marsches vorgaben, marschierte die gesamte Angriffslinie, nahezu 5000 Mann, die Anhöhe am Fluss hinauf. Schon bald rückten sie parallel zu einer Straße vor, die von Südwest nach Nordost über das Schlachtfeld verlief und zu beiden Seiten von hohen Pappeln gesäumt war.
Steel schätzte, dass sie inzwischen die Hälfte der Strecke zu den französischen Linien zurückgelegt hatten. Doch während er im Geiste überschlug, wie lange sie bei gleichbleibendem Tempo brauchen würden, bis sie auf den Feind stießen, eröffneten die Geschütze auf dem Hügel weiter vorn das Feuer.
»Ruhig bleiben!«, rief er über den Donner hinweg. Kaum waren ihm die Worte über die Lippen gekommen, als auch schon die erste Kanonenkugel in ihre Linie rauschte und eine Schneise des Todes in die Reihen der Grenadiere riss.
»Nur ruhig, Jungs. Folgt mir.«
Steel fragte sich, wie viele Batterien die Franzosen auf die Anhöhe geschafft haben mochten. Und verfluchte sich, die Geschütze nicht vorher gezählt zu haben, als er noch die Gelegenheit dazu hatte. Hinter ihm rückten die Soldaten gleichmäßig vor und trotzten dem Hagel aus Geschossen, der nun über ihren Köpfen niederging. Worte der Aufmunterung, Kameradschaft und vor allem die Piken der Sergeants hatten ihren Zweck erfüllt.
Wieder fünfzig Schritte geschafft. Noch einhundert Schritte, und sie könnten den Besatz an den Uniformen der feindlichen Infanterie erkennen, falls die Rauchschwaden es zuließen. Der Geruch von verbranntem Pulver stieg ihm in die Nase, und Steel fragte sich im Stillen, ob er Hansams Angebot mit dem Schnupftabak nicht vielleicht doch hätte annehmen sollen. Nun, das würde er sich für die nächste Schlacht aufheben, denn jetzt konnte es nicht mehr lange dauern. Jeden Augenblick würden
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