Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
Charpentier verabscheut: Spione. Er wird nur mit einem anderen Offizier auf Augenhöhe verhandeln wollen, mit einem Mann, der vor Kurzem noch an der Front war. Ihr seid der einzige Offizier für diese Aufgabe, Jack. Zumal Ihr in Oudenaarde verwundet wurdet. Charpentier wird Euch mögen, glaubt mir.«
»Aber wie steht es um meine Tarnung? Soll ich einen anderen Namen annehmen? Und wie soll ich zurückkehren?«
»Denkt Euch einen Namen aus«, erklärte Hawkins. »Ich schlage vor, dass Ihr von nun an Captain der Irischen Brigade in König Ludwigs Armee seid. Das Regiment dürft Ihr Euch auch frei aussuchen. Begebt Euch zum Generalquartiermeister, er stattet Euch mit der passenden Kleidung aus. Nach Oudenaarde sind wir, weiß Gott, in der Lage, eine ganze Kompanie auszustatten! Was Eure Rückkehr anbelangt, so hat Simpson seine Methoden. Wir holen Euch schon zurück. Und macht Euch keine Sorgen wegen Lady Henriettas Sicherheit. Wir kümmern uns um die Dame, Jack.«
Marlborough schaute von der Karte auf, über die er gebrütet hatte. »Seid Ihr so weit zufrieden mit der Absprache, Captain?«
Steel nickte und log: »Ja, Sir, Eure Hoheit.«
»Trefflich. Und seid versichert, dass wir uns dankbar erweisen werden, wenn Ihr Eure Aufgabe erfüllt habt – woran ich keinen Zweifel habe.«
Steel verbeugte sich und fragte sich, wie diese Dankbarkeit ausfallen mochte, falls er lange genug lebte, sie noch in Empfang nehmen zu können. »Habt Dank, Hoheit. Es ist mir eine Ehre, Euch erneut zu Diensten zu stehen. Ihr könnt darauf vertrauen, dass ich mein Bestes geben werde, um sicherzustellen, dass Major Charpentier von unseren lauteren Absichten überzeugt ist.«
»Darauf vertraue ich, Steel. Und Ihr könnt mir glauben, dass Ihr eine wichtige Rolle bei der Beendigung des Krieges spielen werdet und vielen Menschen das Leben rettet, falls Ihr Erfolg habt. Euer eigenes Leben inbegriffen.«
5.
Die Kutsche erreichte die Kuppe der Anhöhe und hielt abrupt an. Steel ertrug auch diesen Ruck und dankte Gott, dass sie endlich standen. Seit nunmehr fünf Tagen war er in diesem Höllengefährt unterwegs, und obwohl die Sitzbänke gepolstert waren, ließ die Radaufhängung zu wünschen übrig. Die Federung bestand allein aus Lederriemen, die den Wagenkasten mit vier Pfosten verbanden, sodass Reisende jede Unebenheit auf den Wegen schmerzhaft zu spüren bekamen.
Steel hatte nur zwei Reisebegleiter gehabt. Am ersten Tag hatte er die Gesellschaft eines Captains der Infanterie genossen. Der Mann war kurzfristig zur Artillerie abkommandiert worden und hatte die Aufgabe, die vom Feind zurückgelassenen Kanonen aus Flandern abzutransportieren. Mit dem Captain hatte Steel ein paar Partien Piquet gespielt. Steel, der die niedrigsten Karten abgeworfen hatte, hatte nacheinander fünf Stiche gemacht. Auf diese Weise hatte er fünf Guineen gewonnen und den Captain obendrein geneckt, die Furchen auf den Wegen hätten sie allein der Artillerie zu verdanken, die mit ihren schweren Geschützen zuvor unterwegs gewesen seien.
Der Captain, ein lustiger Bursche – der nach eigener Aussage von seinem mittellosen Vater in die Armee getrieben worden war –, hatte keinen Anstoß daran genommen und Steel Geschichten über Unglücksfälle im Umgang mit Kanonen erzählt. Dennoch hob er die Vorzüge dieser Waffe hervor und betonte, die Artillerie werde innerhalb der Armee noch eine viel größere Rolle spielen.
Leider hatte der Mann sich bald verabschieden müssen, und Steel bekam Gesellschaft von einem Offizier, der ihm auch jetzt noch gegenübersaß: Ein rotgesichtiger, beleibter Major der Dragoner namens Cousins. War die Fahrt mit dem Captain mehr als amüsant gewesen, so erwies sich der neue Reisegefährte als Langweiler. Steel fragte sich, ob dieser Tölpel überhaupt in der Lage war, etwas anderes zu befehligen als die Abläufe bei Tisch. Denn die Gespräche des Majors, wie seine ganze Erscheinung schon nahelegte, drehten sich einzig und allein ums Essen und Trinken. Während die Stunden vergingen, war es Steel gelungen, die weitschweifigen Ausführungen des Mannes auszublenden, doch nun sickerten die Worte erneut in Steels Bewusstsein.
»Also dann, Captain Johnson, hier muss ich aussteigen und mich von Euch verabschieden.«
Für einen kurzen Moment blickte Steel verdutzt drein, als er den Namen hörte, doch sofort hatte er sich wieder im Griff und sagte: »Lebt wohl, Major.«
»Auf ein Wiedersehen. Ich muss sagen, Captain, ich habe Eure Gesellschaft
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