Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
ich kann nur sagen, bin verdammt froh, dass ich’s nicht machen muss.« Ihm fröstelte. »Läuft mir ’n Schauer über ’n Rücken, das sag ich Euch, wenn ich mir vorstelle, wie tief wir in Frankreich sind.«
Steel öffnete die Tasche und holte einen Mantel hervor, während Matthews die kastanienbraune Stute losband, die den ganzen Weg hinter der Kutsche hergetrottet war. »Da habt Ihr recht, Matthews. Aber wenn es uns hilft, den Krieg zu gewinnen, indem ich die Franzmänner besser kennenlerne, wird es schon richtig sein.«
Der Kutscher grinste, zuckte die Schultern und gab einen missmutigen Laut von sich, als Steel den schweren Mantel aus Sergestoff auseinanderfaltete. Dann entledigte er sich der Grenadiersuniform, stand nur noch in Breeches und Hemd da und zog die neue Weste an, die ein leuchtendes Rot aufwies. Sie saß ein bisschen eng, war aber nicht unbequem. Steel griff nach dem Mantel, den Matthews ihm hinhielt, und zog ihn an. Auch dieser Uniformrock war scharlachrot, wies jedoch anstelle der dunkelblauen Aufschläge des Grenadierregiments gelbe auf. Auch die Seide war ein wenig anders und nach französischer Manier gestickt. Die großen vergoldeten Knöpfe auf den Manschetten saßen in einer Reihe, das Revers war mit goldener Seide verziert.
Dies war nicht der Uniformrock eines britischen Offiziers. Steel hatte ihn eigens ausgewählt. Er stammte von einem Stapel Kleidung, die man den toten Soldaten aus O’Briens Dragonerregiment ausgezogen hatte: Iren, die ursprünglich unter dem verstorbenen Lord Clare aufgestellt worden waren und inzwischen in Diensten Frankreichs standen. Die Uniform weckte Erinnerungen, da Steel den Kommandeur, Charles O’Brien, persönlich gekannt hatte. Einst hatten sie beide als junge Lieutenants Seite an Seite in den Foot Guards für König William gekämpft.
Zudem hatte Steel den Kampfgefährten von einst bei Ramillies sterben sehen, als dieser sich einem britischen Offizier hatte ergeben wollen – Lord Argyll, ein Landsmann Steels und zuletzt Kommandeur der Brigade bei Oudenaarde, hatte O’Brien vor Steels Augen kaltblütig getötet.
Aber das war eine alte Geschichte. Von nun an sollte ihm der Uniformrock des alten Regiments des armen Lord Clare von Nutzen sein, und er würde die Uniform mit Stolz tragen, nicht zuletzt zum Andenken an einen tapferen Soldaten, der ungerechterweise den Tod gefunden hatte.
Matthews zog eine Braue hoch. »Sehr elegant, Sir. Ihr seht wirklich wie ein irischer Offizier aus. Und kaum ein Fleck auf der Uniform.«
»Euch ist der Uniformrock also bekannt?«
»Natürlich, Sir. Hab selbst gegen Clares Männer in Blenheim gekämpft. Haben mir einen Finger abgehackt, diese irischen Bastarde.« Er hielt die verstümmelte linke Hand hoch. »So schnell werde ich die Iren nicht vergessen, Captain. Aber die mich auch nicht, Sir, das sag ich Euch.«
Steel lachte und reichte Matthews, nachdem er sich den Gürtel samt Degen umgeschnallt hatte, die Reisetasche zurück, in die er die Regimentsuniform gelegt hatte. »Das will ich Euch glauben. Aber jetzt solltet Ihr vergessen, dass Ihr mich je gesehen habt, Matthews. Das ist ein Befehl. Ihr kennt mich nicht, verstanden? Von diesem Moment an gibt es keinen Captain Jack Steel mehr. Vor Euch steht Captain Johnson aus der Irischen Brigade. Meldet das jetzt Eurem Colonel.«
Der Mann nickte eifrig. »Richte ich ihm aus, Sir, genau wie Ihr’s mir gesagt habt. Viel Glück, Captain.«
Steel setzte einen Fuß in den Steigbügel und schwang sich in den Sattel. Mit einer Hand hielt er die Zügel, mit der anderen schob er den Degen in die Scheide über der Satteldecke und klopfte dem Tier auf den Hals. Im Sattel drehte er sich noch einmal nach Matthews um und nickte ihm zum Abschied zu, ehe er dem Pferd die Knie in die Flanken drückte und das Tier in einen leichten Trott brachte.
Nachdem er eine Weile geritten war, warf er ein letztes Mal einen Blick zurück auf die Kutsche, die in der Ferne immer kleiner wurde. Rasch lenkte er sein Pferd von der Straße und ritt durch ein grasbewachsenes Hügelland, in dem ein paar Erlen Schatten boten. Der unebene Boden war ein wenig zu weich unter den Hufen, sodass Steel dem Pferd Zeit ließ, sich an die Verhältnisse zu gewöhnen, da die Stute tagelang nur hinter der Kutsche gelaufen war. Steel indes genoss es, nach dem schier endlosen Rumpeln der Kutsche auf dem Rücken eines Pferds zu sitzen. Er fühlte sich erfrischt und eins mit der Landschaft und hatte das Gefühl, das
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