Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
Damen der Jagdgesellschaft.
Die Treiber befanden sich inzwischen fast auf Steels Höhe und waren ihm gefährlich nahe gekommen. Steel erkannte, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als zu bluffen, sobald man ihn entdeckte. Es wäre eine Art Bewährungsprobe, da er sich irgendwann ohnehin in seiner neuen Rolle präsentieren musste. Das einzige Problem war, dass er nicht wusste, auf welche Weise er sich am besten bemerkbar machen sollte, ohne dass die Treiber ihn irrtümlich für das gehetzte Wild hielten und ihn mit ihren Speeren aufspießten.
Doch diese Bedenken verflogen, als er eine andere Gefahr erkannte: Kaum hatte er beschlossen, aufzustehen, gab sein Pferd ein lautes Wiehern von sich, was nicht nur Steels Aufmerksamkeit erregte, sondern auch die der Jäger, die inzwischen auf ein halbes Dutzend angewachsen waren. Aber die Männer erschraken nicht, weil dort ein Pferd stand. Der Grund für das aufgeregte Wiehern war weitaus schlimmer.
Die Männer, auch Steel, waren in ihren Bewegungen erstarrt. Denn keine fünf Yards von der Stelle entfernt, wo Steel geschlafen hatte und wo er nun gut sichtbar in seinem roten Uniformrock verharrte, erhob sich der massige Körper eines Keilers im Gebüsch. Reglos stand das große Tier da und starrte in Steels Richtung. Steel schätzte, dass der Keiler fast halb so groß war wie sein Pferd. Eine schwarze Mähne bedeckte seinen Schädel, und an beiden Seiten der spitzen Schnauze ragten scharfe, gebogene Eckzähne hervor.
Auch der Mann, der Steel am nächsten war, starrte erschrocken auf das Tier, dann schaute er verunsichert in Steels Richtung. Mit dem Keiler schien er gerechnet zu haben, aber den rot uniformierten Soldaten, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war, konnte er offenbar nicht so schnell einordnen. Steel vermutete, dass der Jäger ihn für einen Deserteur oder gar Wilderer hielt. Schließlich flüsterte er Steel auf Französisch zu: »Monsieur, ich bitte Euch, nicht bewegen. Bleibt ruhig stehen.«
Steel nickte langsam und brachte seine Hand näher zum Knauf seines Degens. Der Keiler grunzte, und sein heißer Atem entwich in kleinen Wölkchen seinen Nasenlöchern.
Während Steel vorsichtig den Degen aus der Scheide zog, vernahm er Hundegebell hinter sich. Sekunden später brach eine Meute auf die Lichtung. Der Keiler geriet in Panik. Derweil hatte Steel den Degen gezogen und richtete die Klinge auf das Tier, bereit zur Verteidigung. Doch der Blick des Keilers war einzig auf die Hunde gerichtet, die ihre Beute mittlerweile umzingelt hatten und die Zähne fletschten. Der Keiler spürte, dass er in der Falle saß. Er zögerte keinen Moment, sondern stürmte mit gesenktem Kopf durch das Dickicht auf die Hunde los. Den Ersten stieß er zur Seite, wobei er ihm mit einem Eckzahn die Flanke aufriss. Die Hunde wichen zurück, der Keiler aber rannte weiter und prallte gegen einen der grün gekleideten Jäger.
Der Mann wurde zu Boden gerissen und hielt sich den Oberschenkel, wie Steel erkennen konnte, da der Eber auch ihn mit dem Eckzahn verletzt hatte. Nun baute das Tier sich vor dem Mann auf und machte Anstalten, sich mit seinem ganzen Gewicht auf ihn zu stürzen und ihn vollends aufzuspießen. Ohne groß zu überlegen, sprang Steel aus seinem Versteck, stürzte sich von hinten auf den Eber und trieb ihm die Degenklinge in den Schädel. Aber falls er geglaubt hatte, das wilde Tier damit getötet zu haben, so irrte er sich. Der Keiler quiekte vor Schmerzen, und der Jäger rollte sich zur Seite, ehe das Tier ihn erneut attackieren konnte. Derweil hing Steel halb auf dem Rücken des Ebers und versuchte, den Degen wieder aus dem Kopf des Tieres zu ziehen.
Auf den Ruf eines der Jäger hin kamen die Jagdhunde wieder näher, tauchten plötzlich zu beiden Seiten Steels auf und stürzten sich auf den Eber. Sie zerrten und rissen an dem Tier, doch einer der Hunde war zu langsam, konnte nicht rechtzeitig ausweichen und wurde vom rechten Eckzahn aufgespießt. Dort blieb er hängen und winselte kläglich. Unmittelbar hinter den Hunden setzten die Jäger nach. Mit vier gezielten Stichen ihrer langen Spieße erlegten sie den Eber.
Schwer atmend glitt Steel vom Körper des Keilers und hatte endlich Zeit, seinen Degen wieder an sich zu nehmen. Der verwundete Mann wurde inzwischen von der Lichtung geschafft. Steel sah sich um, als er durch den Lärm der Jagdhörner und Rufe eine Stimme vernahm, die hinter den Jägern erklang.
»Ich will das sehen. Lasst mich durch. Aus dem Weg, sage
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