Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
ihnen gesellte, immer noch maskiert. »Ah, Madame la Marquise. Wie ich sehe, seid Ihr unserem tapferen Soldaten-Gelehrten begegnet.«
»Monsieur?«
»Nun, dieser junge Herr ist nicht bloß Soldat, sondern ein Denker. Un philosophe , um genau zu sein. Und gut aussehend obendrein. Er würde sich in Eurem Château gut machen.«
Der Mann, der Anspruch auf ganz Britannien erhob, verbeugte sich vor der Marquise und wandte sich zum Gehen. Steel fiel auf, dass die Dame sehr wohl gewusst haben dürfte, um wen es sich bei dem Maskierten handelte; trotzdem war sie in keinen Knicks gesunken und hatte keine Anzeichen von Ehrerbietung erkennen lassen. War die junge Frau so arrogant? Oder war sie mit James Stuart gut vertraut?
Freudig klatschte sie in die Hände. »Was für eine wundervolle Idee! Ja! Ihr müsst mir unbedingt auf dem Land einen Besuch abstatten. Könnt Ihr ein bisschen Zeit erübrigen? Ich bin sicher, Ihr werdet den Ausflug als sehr angenehme Erfahrung in Erinnerung behalten.«
»Wenn Ihr versprecht, dass ich nicht wieder Auge in Auge einem wilden Eber gegenüberstehe, Madame.«
»Oh, ich kann gar nichts versprechen, Captain. Wenn Ihr mich besucht, müsst Ihr auf alle Eventualitäten gefasst sein. Wer kann schon sagen, was alles geschehen kann? Ich werde meinen Bediensteten beauftragen, Euch Bescheid zu sagen. Gebt ihm Eure Adresse hier in der Stadt. Auf ein baldiges Wiedersehen, Captain. Ich werde Eure Ankunft mit Freude erwarten.«
Als sie sich von ihm entfernte, eilte Simpson an Steels Seite. »Diese Frau dort, die Marquise de Puy Fort Eguille, was hat sie Euch gefragt?«
»Im Grunde nichts. Nach meinem Namen, und wo ich gedient habe, sonst nichts. Das heißt … sie hat mich gebeten, ihr einen Besuch abzustatten. Warum, frage ich Euch?«
»Haltet Euch von ihr fern. Unbedingt. Ich könnte Euch Dinge über die Dame erzählen, da würdet Ihr zittern.«
»Sie ist eine Frau, Simpson. Sie brächte mich nicht zum Zittern. Sie ist verdammt hübsch, meint Ihr nicht? Nicht Euer Typ, mag sein, aber …«
»Seid nicht töricht, Mann. Ich meine es ernst. Sie bedeutet nichts als Schwierigkeiten. Sie verkörpert das Böse schlechthin. Belasst es dabei und erliegt nicht der Versuchung, mit ihr herumzutändeln.«
Steel lächelte und nickte, aber Simpson wusste nicht recht, was der junge Offizier damit andeuten wollte und ob er die Warnung beherzigen würde.
»Da wäre noch eine Sache, die ich Euch fragen wollte«, sagte Steel.
Simpsons Miene war ernst. »Fragt mich, was Ihr wollt, auch wenn ich nicht versprechen kann, immer eine Antwort zu haben.«
»Wo geht man in dieser Stadt hin, wenn man ein Paar Stiefel braucht?«
Simpsons ernste Züge wichen einem Lächeln. »Großer Gott, Mann, Ihr überrascht mich immer wieder. Wenn Ihr Stiefel benötigt, seid Ihr genau dem richtigen Mann begegnet.«
7.
Er erwachte spät. Durch einen Spalt in den Fensterläden fiel das matte Sonnenlicht in seine Schlafkammer in Paris. Augenblicklich bereute er die Ereignisse der vergangenen Nacht. Als er sich langsam auf die Seite drehte und schon mit dem Schlimmsten rechnete, stellte er zu seiner Erleichterung fest, dass die andere Hälfte des Bettes kalt und leer war. Nichts wies darauf hin, dass jemand – ob Mann oder Frau – hier geschlafen hatte.
Simpson wusste natürlich, dass Steel die sexuelle Ausrichtung des Spions nicht teilte. Aber man kann ja nie wissen, ging es Steel durch den Kopf. In seiner Erinnerung schweifte er zurück zu jenem Moment, als der Schlaf ihn übermannt hatte. Oder eher die Bewusstlosigkeit. Denn es bestand kein Zweifel, dass er sich nach der Soiree zu viel Wein zu Gemüte geführt hatte. Für gewöhnlich konnte Steel viel vertragen und war überzeugt, auch den härtesten Zecher unter den Tisch trinken zu können. Doch letzte Nacht hatte Simpson – verflucht sollte er sein – es ihm mit Tokajer, Rotwein und Brandy gleichgetan.
Steel setzte sich auf. Sein Kopf pochte, und er hatte einen fauligen Geschmack im Mund. Die alten Wunden in Bein und Arm machten sich wieder bemerkbar. Vermutlich hatte er sich und seinem Bein keinen Gefallen getan, als er den ganzen Abend in diesen verdammten Dandy-Schnallenschuhen herumstolziert war. In diesem Zusammenhang fiel ihm ein, dass seine erste Verabredung des Tages der Schuhmacher war. Simpson hatte recht. Die Armeestiefel waren verschlissen; kaum noch zu gebrauchen im Feld, geschweige denn in einer Stadt wie Paris. Und Steel hatte nicht die Absicht, sich noch einmal
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