Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
verlaufen würde, wie Hawkins es geplant hatte.
Unterdessen war der Großteil der Gäste eingetroffen. Im großen Salon drängten sich schöne Damen, viele mit männlichen Begleitern, deren Kleidung sich nicht groß von Steels herausgeputzter Erscheinung unterschied. Hier und da gewahrte Steel französische Offiziere in ihren strahlenden Uniformen. Und wieder fühlte er sich verwundbar. Vorsichtig sah er sich nach dem Thronanwärter um und entdeckte ihn in einer Ecke des Salons. Nach wie vor verbarg James Francis Edward Stuart sein Gesicht hinter der Maske und war umgeben von eitlen Speichelleckern.
Als Steel sich ein wenig zu abrupt abwandte, um sich weiter von dem Thronprätendenten zu entfernen, stieß er mit einem anderen Gast zusammen, einer Dame, die ins Stolpern geriet und von einem Bediensteten aufgefangen wurde. Die Dame, inzwischen gestützt von einer Begleiterin, wandte sich Steel zu. Sie machte sich nicht die Mühe, ihr Gesicht hinter ihrer Maske zu verbergen.
Steel verbeugte sich und stammelte eine Entschuldigung. »Es tut mir außerordentlich leid, Madame. Ich habe Euch nicht gesehen, vergebt mir.«
In dem Moment, als er ihr in die Augen sah, wusste er, wen er vor sich hatte: Die Marquise de Puy Fort Eguille, jene gefühllose, sinnliche Schönheit aus dem Wald. Sie hob ihre mit Brillanten bestickte Maske auf und gab vor, sie sich vor das Gesicht zu halten. Wieder war Steel überwältigt von der Schönheit dieser Frau, insbesondere von ihren blitzenden grünen Augen, deren Leuchten noch verstärkt wurde von dem großen Edelstein, den sie an einer goldenen Kette um den Hals trug. Wieder waren es diese Augen, die nun zu ihm aufschauten. Steel blickte auf die geschürzten roten Lippen, sah, wie die junge Frau den Mund leicht öffnete, als wollte sie etwas sagen.
Schließlich, nachdem sie einander stumm in die Augen geschaut hatten, sprach sie ihn an. »So treffen wir uns also wieder, Captain …«
»Johnson, Madame.«
»Ihr scheint ein wenig in Eile zu sein. Immer noch im Auftrag des Königs unterwegs? Seid Ihr spät dran bei einer Verabredung? Oder seid Ihr auf dem Weg zu einer anderen, weitaus interessanteren Ablenkung? Ich glaube nicht, dass wir einander richtig vorgestellt wurden.«
Sie hielt ihm die ausgestreckte Hand entgegen, auf die Steel formvollendet einen Kuss hauchte, ehe er sich wieder aufrichtete.
»Captain Johnson, Madame. Von den Irischen Dragonern. Im Augenblick vom Dienst freigestellt und in Paris, ehe es zurück zur Front geht. Wir kämpfen in Flandern für den König, gegen den Tyrannen Marlborough.« Mit dem letzten Zusatz hatte er seine Worte unterstreichen wollen, befürchtete jetzt aber, etwas zu übereifrig zu klingen.
Sie seufzte und schenkte Steel einen wehmütigen Blick, der gewiss an sein Mitgefühl appellieren sollte. »Ach! Auch mein Gemahl kämpfte in Flandern. Er war übrigens den Iren zugeteilt. Vielleicht kennt Ihr ihn. Den Marquis de Puy Fort Eguille?«
Steel schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Madame. Ich kenne ihn nicht.« Aha, dachte er, das erklärte, warum die Dame im Wald Interesse an dem Regiment bekundet hatte.
»Und Ihr werdet ihn auch nicht mehr kennenlernen, Captain«, fuhr sie fort, »denn er starb dort bei dem Regiment. Es ist erst zwei Jahre her, dennoch kommt es mir schon wie eine halbe Ewigkeit vor. Und nun bin ich gezwungen, Witwenkleidung zu tragen. Was für eine Tragödie für eine Frau, die in der Blüte ihrer Jahre steht, meint Ihr nicht auch?« Sie schenkte ihm ein aufreizendes Lächeln und öffnete ihre geschwungenen Lippen kaum merklich. Doch es entging Steel nicht, und die Dame schien die Wirkung ihrer Reize weiter austesten zu wollen. »Die Leute sagen, mir stünde Schwarz. Was meint Ihr, Captain Johnson?«
Schon griff sie in ihre vollen Röcke und hob langsam den Saum hoch, sodass Steel einen Blick auf ihre hübschen Waden und die zierlichen Fußknöcheln erhaschen konnte. »Ihr sagt ja gar nichts, Monsieur. Stehen die Kleider mir? Gebe ich eine gute Witwe ab? Sprecht, Captain Johnson, sonst bin ich schnell missgestimmt.«
»Schwarz steht Euch wirklich gut, Madame, und ich bedaure zutiefst, was Eurem Gemahl widerfahren ist. Ich verbürge mich dafür, dass er ehrenvoll starb und tapfer gegen die verfluchten Briten kämpfte.«
»Habt Dank. Aber ich fürchte, dass es nicht so war. Tapfer war er, ja. Aber er starb auf furchtbare Weise …«
Sie wurde unterbrochen, als Steels erster Gesprächspartner, der Thronanwärter, sich zu
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