Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
Captain Johnson. Da seid Ihr ja.« Simpson wandte sich dem maskierten Gast zu. »Ja … ich hoffe sehr, dass Euch der Captain mit seinen Geschichten von den Feldzügen nicht gelangweilt hat. Er ist manchmal ermüdend …«
»Oh, ganz im Gegenteil, Monsieur …?«
»St. Colombe.«
»Ganz im Gegenteil, Monsieur St. Colombe. Ich hatte den Eindruck, dass der Captain gerade im Begriff war, uns die Details darzulegen.«
»Dann erlaubt, dass ich ihn entführe, bevor er seine Ankündigung wahrmacht. Ihr würdet es mir nie verzeihen, Monsieur, wenn er erst einmal anfängt.« Er ließ eine tiefe Verbeugung folgen. »Kommt, Captain. Es gibt noch so viele Gäste, die ich Euch heute Abend vorstellen möchte.«
Langsam führte Simpson ihn zu den Flügeltüren, die auf einen Balkon führten, und trat mit Steel ins Freie. Unter dem Balkon erstreckte sich ein gepflegter Garten, dessen Ausmaße im Schein der Fackeln nicht auszumachen waren.
»Großer Gott, Steel, ich bitte Euch!«, begann Simpson mit einem Seufzer. »Ich falle noch in Ohnmacht, wenn Ihr so weitermacht. Ihr müsst vorsichtig sein! Ihr seid nur aus einem einzigen Grund hier: Um Eurer neuen Identität so etwas wie Würde und Wahrhaftigkeit zu verleihen. Niemand würde je vermuten, dass ein Offizier des Feindes, der bei Verstand ist, zu einer Soiree wie dieser kommen würde. Habt Ihr überhaupt eine Vorstellung, wer dort alles in dem Raum ist?«
»Soweit ich es beurteilen kann, die größte Ansammlung von Narren und Stutzern, die Frankreich aufzubieten hat«, erwiderte Steel trocken. »Mir war noch nie so heiß wie in diesem Raum. Und wozu das alles? Was für ein Interesse sollten die Leute an dem Leben eines jakobitischen Offiziers haben?«
»Darüber habt nicht Ihr zu befinden, mein Guter. Es gibt einen Grund, warum Ihr heute Abend hier seid. Ich beabsichtige, dass man in den kommenden Tagen in der Pariser Gesellschaft über Euch spricht, damit Ihr in den höheren Kreisen Aufnahme findet. Wer weiß, Ihr könntet sogar eine Audienz beim König erhalten.«
Steel erstarrte. »Davon war nie die Rede. Ich soll Ludwig treffen? Nein. Dann würde meine Tarnung wirklich auffliegen.«
»Nun, da habt Ihr vielleicht recht. Aber gestattet mir zumindest meine List. Und wer weiß, womöglich stoße ich dort drinnen auf einen von Ludwigs Höflingen, der sich für den Frieden ausspricht. Aber was auch immer geschieht, ich möchte nicht, dass Ihr hier eine Szene macht. Das wäre der Sache nicht dienlich. In diesen Räumen wimmelt es von Spionen und Feinden. Merkt Euch das. Aber jetzt lasst uns zum Fest zurückkehren, ehe man uns noch vermisst.«
Steel nickte. Er wusste, dass Simpson recht hatte. Er, Steel, war im Gespräch mit dem Höfling zu weit gegangen. Zu Simpson gewandt, sagte er: »Wer war eigentlich dieser Bursche, mit dem ich mich unterhalten musste? Ihr habt Euch vor ihm verbeugt und ihn mit ›Sire‹ angeredet.«
Simpson lachte und schüttelte den Kopf. »Das wisst Ihr wirklich nicht? Das, meiner lieber Jack, war James Francis Edward Stuart, der Thronanwärter persönlich. Das war der Mann, der unser König sein könnte.«
»Großer Gott! Er hat mir erzählt, er sei in Oudenaarde gewesen.«
»Das stimmt ja auch. Er war im Stab des Herzogs von Burgund. Dem Rang entsprechend hatte er das Kommando über die Irische Brigade. Nun, die Männer gehören zu seiner persönlichen Truppe.« Ihm fiel auf, dass Steel blass geworden war. »Ihr werdet schon gut genug gelogen haben, keine Sorge. Er schien von Euren Worten überzeugt zu sein. Gut so. Es verlief so, wie ich es geplant habe.«
Steel starrte ihn entgeistert an. »Wie Ihr es geplant habt? Ihr habt gewusst, dass er hier ist? Ihr habt das Treffen arrangiert?«
»Ich hatte vermutet, dass es so kommt. Der Thronprätendent kann einer Soiree wie dieser nicht widerstehen, besonders dann nicht, wenn er weiß, dass ihm viel Aufmerksamkeit zuteil wird.«
»Aber ich hätte enttarnt werden können. Was, wenn man uns beide festgenommen hätte?«
»Das Risiko mussten wir eingehen. Und jetzt sind Eure Empfehlungsschreiben amtlich.« Er legte einen Arm um Steels Schulter. »Kommt. Gehen wir wieder hinein, und genießen wir das Fest. Jammerschade, wenn wir uns das gute Essen und den Wein entgehen ließen. Aber diesmal gebt acht, mein lieber Junge.«
Steel fragte sich, wozu dieser außergewöhnliche Mann noch imstande sein mochte. Zum ersten Mal machte er sich bewusst, dass seine Mission vielleicht doch nicht so gradlinig
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