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Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)

Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Gale
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Verbeugung an und murmelte so etwas wie eine Entschuldigung vor sich hin. Steel gab sich mit dieser Ehrerbietung zufrieden und passierte das Torhaus. Sein Selbstbewusstsein war wiederhergestellt, gleichzeitig aber spürte er, dass ihm in dieser angespannten Situation der Schweiß ausgebrochen war.
    Er überquerte den offenen Platz, ohne noch einmal nach hinten zu schauen, obwohl er das Gefühl nicht loswurde, den stechenden Blick des Lieutenants im Rücken zu spüren. Bald erreichte er den steinernen Bogen am Eingang, auf dem Ludwig XIV. mit Brustpanzer dargestellt war, auf dem Rücken eines Schlachtrosses. Steel trat zügig, aber nicht zu schnell sein, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, und gelangte in ein Vestibül – ein luftiges Atrium, das von weißen Säulen getragen wurde. Er sah einige weiß uniformierte Soldaten, deren Blicke er auf sich zog, als er das Atrium betrat. Doch was sie sahen, war lediglich ein weiterer irischer Offizier, keine Seltenheit in diesen Mauern. Oft hielten sich irische Söldner auf dem Gelände auf, wie auch Söldner aus Schweden, der Schweiz, den deutschen Landen und Polen. All diese Männer dienten dem Sonnenkönig. Daher setzten die Soldaten rasch ihre Unterhaltung fort und beachteten Steel nicht weiter. Offensichtlich hielten sich in diesem Bereich die Wachen auf, aber keiner der Männer wäre auf die Idee gekommen, ein weiteres Mal die Papiere des rot uniformierten Neuankömmlings zu überprüfen.
    Da Steel sich nicht länger im Atrium aufzuhalten gedachte, trat er hinaus auf einen breiten Innenhof, den Cour Royale. Der Platz, ganz mit Pflastersteinen ausgelegt, erstreckte sich hundert Yards in der Länge und sechzig in der Breite; an den Seiten zogen sich Arkaden hin, über denen eine lange Galerie verlief. Auf der anderen Seite des Innenhofs erblickte Steel ein zweites, reich ornamentiertes Vestibül, das genauso gestaltet war wie das Atrium, durch das er soeben gekommen war. Auf den Flachreliefs oberhalb der Dachgauben waren Siegeszeichen zu erkennen, die Ludwigs frühere militärische Erfolge feierten: erbeutete Wappen, Schlachtszenen und dergleichen.
    Wie tief der große, unbezwingbare Sonnenkönig doch inzwischen gefallen war, ging es Steel durch den Kopf. Einst von schier unbezwingbarer Macht, geriet er nun unter die Hufe von Marlborough und dessen siegreicher Armee. Und Ludwig wird noch weitere Niederlagen einstecken, dachte Steel mit Befriedigung. Aber zunächst galt es, diesen Auftrag zu Ende zu führen.
    Der Innenhof war voller Leute. Viele standen zusammen und waren in Gespräche vertieft, einige schlenderten allein über den Platz. Es waren fast ausschließlich Soldaten, von denen die meisten den dunkelblauen Uniformrock der Invaliden trugen. Dies also waren die Männer, die Ludwig auserwählt hatte. Meine Feinde, ging es Steel durch den Kopf, während er die Männer beobachtete. Vielen fehlten Gliedmaßen, einige trugen Augenklappen. Manche der Invaliden konnten nicht mehr alleine gehen und brauchten Hilfe, weil sie blind oder verstümmelt waren.
    Mit gemischten Gefühlen betrachtete Steel seine Feinde, denen er womöglich im Kampf gegenübergestanden hatte, die er besiegt und verwundet hatte. Mit einem Mal überkam ihn ein bisher unbekanntes Gefühl der Schuld, als er sich vergegenwärtigte, was er im Verlauf der letzten zwanzig Kriegsjahre getan hatte. Steel hatte sich nicht gemerkt, wie viele Männer er bisher im Kampf getötet hatte, doch er hatte eine ungefähre Vorstellung: Es mochten an die achtzig sein. Die Zahl deren, die er verwundet oder verstümmelt hatte, konnte er nur grob schätzen. Als er nun so viele von seinen ehemaligen Gegnern in diesem erbärmlichen Zustand sah, fuhr ihm der Anblick in Mark und Bein.
    Doch bald wich das Gefühl der Schuld dem Mitleid. Als er sich schließlich an den Anblick der Verwundeten gewöhnt hatte, überlegte er instinktiv – mit dem geschulten Auge des Soldaten, der ums Überleben kämpft –, wer von den Männern noch in der Lage wäre, zur Waffe zu greifen und ihm womöglich gefährlich werden könnte.
    Als Steel den Innenhof betrat, schauten einige der Männer zu ihm herüber, doch er tat so, als spüre er die Blicke nicht, und war froh, als die Männer sich wieder von ihm abwandten. Auch wenn er bislang recht gut vorangekommen war – zu Major Charpentier hatte ihn noch niemand geführt. Daher stand für Steel fest, dass er selbst die Initiative würde ergreifen müssen.
    Er schaute sich auf dem weiten Platz um und

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