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Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)

Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Gale
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entdeckte eine Steintreppe, die von den Arkaden hinauf ins erste Stockwerk führte. Bedächtig ging er über den Platz, vorbei an den Invaliden, und erreichte den unteren Treppenabsatz. Kaum hatte er einen Fuß auf die unterste Stufe gestellt, als ihm zwei Wachen zu beiden Seiten der Treppe mit Hellebarden den Zutritt verwehrten. In seinem Rücken hüstelte jemand vernehmlich.
    »Verzeihung, Monsieur, gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr eine Verabredung mit dem Kommandanten habt?«
    Steel drehte sich um und blickte in die Augen eines französischen Offiziers, der eine weiße Uniform mit violett gefärbten Aufschlägen trug. Auch der Hut besaß gestickte Verzierungen. Steel vermutete, den für dieses Gebäude verantwortlichen Adjutanten vor sich zu haben. »Ganz recht, Monsieur. Ich habe eine Verabredung mit Major Charpentier.« Er griff in die Rocktasche und holte das entsprechende Schreiben hervor.
    Der Offizier nahm das Dokument entgegen und las es sorgfältig durch. »Ja, gut. Wenn Ihr mir folgen würdet, Captain Johnson.«
    Nachdem die Hellebarden ihm nicht mehr die Treppe versperrten, folgte Steel dem Offizier die Stufen nach oben. An den weißen Wänden des Aufgangs hingen Gobelins, die frühere Siege der französischen Nation darstellten. Der Offizier schwieg und ging raschen Schrittes an den für Steel unerträglichen Darstellungen niederländischer, spanischer und britischer Niederlagen vorbei. Am oberen Treppenabsatz bog der Mann nach links und betrat die Kolonnaden des ersten Stocks. Kurz darauf standen sie am Ende des Gangs vor einer schlichten Holztür. Der Adjutant öffnete sie und bat Steel in einen mit Eichenholz vertäfelten Vorraum, an dessen Wänden gerahmte Karten von Ludwigs Feldzügen, aber auch Festungsentwürfe von Marschall Vauban hingen.
    »Bitte wartet hier, Captain. Ich werde Euch anmelden.«
    Im Vorraum stand ein Wächter neben einer anderen Tür. Der Adjutant ignorierte den Mann, klopfte zweimal und trat dann ein.
    »Captain Johnson, Sir. Aus Clares Regiment.«
    Er nickte Steel zu, worauf dieser ihm folgte. In dem sich anschließenden Raum sah Steel drei Männer. Einer von ihnen, der am Tisch in der Mitte eine Landkarte betrachtet hatte, schaute auf.
    Er mochte um die vierzig sein, hatte ein rundliches Gesicht und trug eine wallende braune Perücke. Major Charpentier kam um den Tisch herum auf Steel zu und begrüßte ihn. Er ging langsam, gestützt auf eine Krücke, denn dort, wo sein rechtes Bein hätte sein müssen, war nur noch schlaff hängender, blauer Samt zu sehen, aufwändig durchwirkt mit goldener Litze.
    »Captain Johnson.« Er nickte Steel kurz zu, und Steel wusste sofort, dass der Mann keine unlauteren Absichten verfolgte. Das Nicken war die einzige Möglichkeit, den wahren Zweck ihres Zusammenkommens zu unterstreichen, und dieses Zeichen genügte Steel, um so etwas wie Erleichterung zu verspüren. Er vermutete, dass die beiden anderen Anwesenden nicht in die geheimen Pläne eingeweiht waren. Sie standen auf der anderen Seite des Raumes vor den Fenstern, tief in ein Gespräch vertieft an einem rechteckigen Tisch, der mit grünem Stoff bespannt war und auf dem Steel Hunderte kleiner Figuren entdeckte. Spielzeugsoldaten.
    Derweil verabschiedete sich der Adjutant, worauf Major Charpentier Steel tiefer in den Raum führte und den beiden Männern seinen Gast vorstellte.
    »Meine Herren, darf ich Euch Captain Johnson aus Clares Regiment vorstellen. Wieder ein Offizier aus den Reihen der ›Wild Geese‹. Captain, ich habe die Ehre, Euch Major Claude Malbec von den Grenadiers Rouges vorstellen zu dürfen, der kürzlich von der Front zurückgekehrt ist. Vielleicht kennt Ihr ihn schon. Bestimmt seid Ihr vertraut mit seinen militärischen Errungenschaften. Möglicherweise kennt Ihr auch meinen zweiten Gast, denn er ist ebenfalls Offizier der ›Wild Geese‹, ein Captain aus Dillons Regiment und ein Ire wie Ihr.«
    Steel war vollkommen überrumpelt. Charpentier kannte doch die Mission und seine, Steels vorgetäuschte Identität! Warum setzte er ihn dieser Gefahr aus? Dem Major musste doch klar sein, wie wichtig es war, dass die Tarnung nicht aufflog! Dass er Steel ausgerechnet einem echten Iren vorstellte, grenzte an Tollkühnheit und konnte alles zum Scheitern bringen.
    Charpentier nannte Steel den Namen des Iren, aber Steel war im Augenblick so durcheinander, dass er kaum richtig hinhörte. Er wollte höflich nachfragen, doch da hatte der junge Ire sich ihm bereits zugewandt …

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