Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
hatte. Steel entdeckte ein bösartiges Lächeln auf den Lippen der Marquise.
»Mein lieber Claude, sei vernünftig. Ihr könnt doch dem Captain kein derartiges Versprechen geben. Ihr kennt meine Pläne.«
Malbec ignorierte die Bemerkung und fuhr mit seiner Befragung fort. »Captain, wir kennen Euren Namen noch nicht, aber wir wissen, dass Ihr ein britischer Geheimagent seid, und dass Ihr mit dem Spion Simpson zusammengearbeitet habt, der sich St. Colombe nennt. Wir beschatten ihn seit einiger Zeit. Tatsächlich haben wir nur auf den Moment gewartet, ihn dingfest machen zu können. Leider ist er uns entwischt, aber seid unbesorgt, wir haben eine starke Vermutung, wo er sich aufhalten könnte. Er wird sich bald an Eurer Seite wiederfinden.« Er lächelte siegessicher.
»Noch weiß ich nicht, welche Absichten Ihr hier in Paris verfolgt«, fuhr er dann fort, »aber ich bin sicher, dass es Euch im Wesentlichen darum geht, den Willen der Franzosen zu untergraben, den Krieg weiterzuführen, zu dem ihr König alle Landsleute verpflichtet hat. Wir Franzosen werden nicht eher ruhen, bis wir siegreich sind und Britannien und seine Verbündeten vernichtet haben. Es kann nur auf diese Weise enden, ganz gleich, wie lange der Krieg noch dauern mag und wie viele Leben er noch fordert.«
Steel spie Blut, das aus den aufgesprungenen Lippen sickerte, und sagte: »Ihr seid von Sinnen. Die Menschen hier in Frankreich wollen diesen Krieg nicht mehr. Ihr habt jegliche Verbindung zu Euren Landsleuten verloren, Malbec. Ihr glaubt immer noch, dass die Menschen Euch blind in den Tod und den Ruhm folgen, aber selbst wenn Ihr ihnen den Himmel auf Erden versprechen würdet, wären sie nicht mehr bereit, Euch auch nur einen Schritt weit zu folgen.«
Ein heftiger Schlag des Majors in die Magengrube raubte Steel den Atem. Er stöhnte schwer.
Malbec trat einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf. »Seid nicht töricht, Captain. Erspart Euch unnötiges Leid. Ich möchte nur zwei Dinge wissen: Euren richtigen Namen und den Zweck Eurer Mission. Das ist alles. Nur diese zwei Fragen, mehr nicht. Was gibt es daran auszusetzen? Und Ihr seid ein ehrenhafter Mann. Ihr wisst, dass dies die einzige Möglichkeit ist, Euch ehrenhaft zu verhalten. Und Ihr würdet Euch viel Schmerzen ersparen.«
Steel blinzelte durch die halb zugeschwollenen Augen und schüttelte den Kopf. »Glaubt Ihr wirklich, ich würde je in Betracht ziehen, vertrauliche Informationen meines Landes zu verraten? Was für einem Ehrenkodex folgt Ihr, Malbec? Keinem, vermutlich. Gewiss keinem Kodex, den ich anerkennen würde.«
Malbec trat wieder dicht an den Stuhl heran und kam Steel mit dem Gesicht so nah, dass Steel den Atem seines Widersachers riechen konnte. In den Lavendelduft der Uniform mischte sich der stechende Geruch von Knoblauch und Gewürzen. Malbec spie Steel die Worte förmlich ins Gesicht. »Ich werde Euch sagen, was für einen Ehrenkodex ich bevorzuge, Captain: Den Ehrenkodex, der meine Frau und meine Kinder in Le Havre getötet hat. Der Ehrenkodex Eurer Royal Navy. Der Ehrenkodex, der Hunderte von Zivilisten das Leben gekostet hat, unschuldige Menschen in Ostende, als Eure Kriegsschiffe das Feuer eröffneten und einen Bombenhagel auf die Stadt regnen ließen. Das ist mein Ehrenkodex, Captain! Der muss Euch doch bekannt vorkommen, oder etwa nicht? Denn Eure Generäle haben ihn ersonnen.«
Malbec schwieg und betrachtete den britischen Offizier, der ihm bislang nichts als Scherereien bereitete. Der Major war ein paar Monate als Gefangener in England gewesen und hatte in York unter Hausarrest gestanden. Dort hatte er gehofft, die wahre Seelenlage der Engländer kennenzulernen, hatte geglaubt, eine kriegsmüde und hoffnungslos verzweifelte Bevölkerung zu erleben. Denn das hätte ihm Genugtuung verschafft, und die schrecklichen Schatten, die auf seiner Seele lasteten, hätten sich womöglich verzogen. Stattdessen war die Nation, die er vorgefunden hatte, keineswegs vom Krieg niedergedrückt. Nein, die Engländer feierten ihre Siege und genossen ihren Wohlstand. Familien lebten glücklich zusammen.
Das alles hatte ihn noch mehr verbittert und ihn in seinem Entschluss bestärkt, den Tod seiner Familie zu rächen – bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Böse wisperte er an Steels Ohr: »Keine Sorge. Wenn ich mit Euch fertig bin, werdet Ihr mich anflehen, mir endlich Euren Namen nennen zu dürfen.« Er wandte sich der Marquise zu. »Meine liebe Marquise, vielleicht
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