Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
offenlegte, wurde die Tür geöffnet, worauf Steel sich voller Hoffnung umdrehte, rechnete er doch mit Charpentier oder irgendeiner Aussicht auf Befreiung. Stattdessen schaute er in die unbeschreiblich grünen Augen der Marquise de Puy Fort Eguille.
Sie schenkte ihm ein kaltes Lächeln und zog eine elegant nachgezogene Braue hoch. »Captain Johnson, wie erfreut ich bin, Euch wiederzusehen.« Sie wandte sich Malbec zu. »Cheri , ich bin gekommen, so schnell ich konnte. Eure Nachricht schien mir recht dringend zu sein.«
»Halb so wichtig. Der Captain und ich haben uns mit Charpentiers Zinnsoldaten ein wenig die Zeit vertrieben. Captain Johnson hat sich in der Tat sehr gut geschlagen. Für einen Engländer.«
Steel war im Begriff, das Wort zu ergreifen, wurde jedoch von Malbec unterbrochen. »Ich wollte ihm gerade erzählen, woher ich ihn kenne. Ihr mögt überrascht sein. Ich war mir sicher, Euch zu kennen, als ich Euch hier sah. Und jetzt weiß ich auch, wo ich Euch schon einmal gesehen habe. Sowie ich erfuhr, dass Ihr ein britischer Offizier seid, wusste ich Bescheid. Ihr erinnert Euch an einen Vorfall, der vier Jahre zurückliegt? Ja, sicher, wie solltet Ihr das vergessen? Ihr wart damals, glaube ich, Offizier einer Infanterieeinheit, die durch ein kleines Dorf in Bayern kam. Mir ist der Name im Augenblick entfallen. Aber das ist nicht so wichtig. Dort, in dem Dorf, habt Ihr eine höchst unangenehme Entdeckung gemacht. Die Dorfbewohner … nun ja, sie standen unseren Plänen im Weg und erwiesen sich schließlich als vorzügliches Mittel, um die bayerische Bevölkerung gegen Euch, die Briten, aufzuwiegeln. Wir entledigten uns der Dorfbewohner. Natürlich solltet nicht Ihr die Leichen finden, sondern die Menschen aus den Nachbardörfern.«
» Ihr habt das getan?«, entfuhr es Steel. »Ihr und Eure Männer? Ihr Bastard!«
Steel machte Anstalten, auf Malbec loszugehen, der in diesem Moment seinen Degen zog. Steel hatte keine Chance, denn schon spürte er die Spitze der Waffe am Hals.
»Gebt acht, Captain. Nicht in Gegenwart der Dame. Ich würde es bedauern, wenn ich mich jetzt gezwungen sähe, Euer Blut zu vergießen. Schon so früh. Aber ja, ich muss zugeben, dass es die Arbeit meiner Männer war. Eine hässliche Geschichte, ein Versuch, Eure Dragoner in Misskredit zu bringen, die damals die Häuser der armen Bayern angezündet haben, wie Ihr Euch gewiss erinnert. Und so machen sie es derzeit wieder im gesamten Artois. Natürlich weiß ich, dass Euer Herzog wie immer darum bemüht ist, dass niemand Leib und Leben verliert. Wird nicht sogar jeder Soldat, der sich an Frauen vergeht, standrechtlich erschossen? Nun, in Bayern trieben wir die Sache nur ein wenig voran. Wir haben es für Euch erledigt. Furchtbarer Gestank allerdings, nicht wahr? Das werde ich wohl kaum vergessen.«
Steel hatte die Hand schon am Knauf seiner Waffe, aber Malbec drückte die Spitze seines Degens einen halben Zoll tiefer in Steels Hals.
»Ihr gemeiner Bastard! Ihr habt unschuldige Frauen und Kinder ermordet!«
Malbec schüttelte den Kopf. »Ermordet? In Kriegszeiten? Kommt, kommt, Captain, ich bitte Euch. An so etwas glaubt Ihr doch nicht, oder? In Zeiten des Krieges kann es keine Moral mehr geben. Der Tod der Dorfbewohner war bloß die traurige Konsequenz einer Kriegsführung, die wir heutzutage alle handhaben. So anders als die hübsche Angelegenheit hier auf dem Tisch, wie? Ein Jammer, dass wir unsere Schlacht unterbrechen müssen. Denn ich muss zugeben, ich glaube, Ihr hättet den Sieg davongetragen.«
Malbec hatte die Klinge noch nicht fortgenommen und fegte mit der linken Hand die rot uniformierten Soldaten vom Tisch. »Ah, seht Ihr, wie schnell die britischen Reihen sich lichten? Und so wird es auch beim nächsten Mal sein, wenn wir wieder auf dem Schlachtfeld auf die Briten stoßen. Ich glaube, ich habe Euch noch ein zweites Mal gesehen. Könnte es sein, dass ich Euch kurz bei Blenheim begegnet bin? Einen guten Fechter vergesse ich selten.«
Steel nickte zum Dank, da das Kompliment aufrichtig gemeint zu sein schien. Da also hatte er diesen Mann schon einmal gesehen! Ein Degengefecht in der Hitze der Schlacht währte oft nur wenige Augenblicke, aber es gab tatsächlich Gesichter, die Steel nie vergessen würde. Meistens sah er die Männer dann im Traum, sah die von Schmerz verzerrten Gesichter der Gegner so, wie er sie zuletzt gesehen hatte – sterbend. Malbec hatte nie zu den Sterbenden in diesen Traumbildern gehört, denn
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