Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
es war ihm gelungen, sich durch Flucht zu retten. Jetzt wünschte sich Steel, er hätte Malbec damals getötet.
Er fragte sich, wer ihn verraten haben könnte oder seine wahre Identität preisgegeben hatte. Einen Moment lang verdächtigte er Simpson, verwarf den Gedanken dann aber. Und die Vorstellung, dass es Alexander gewesen sein könnte, war völlig absurd. Wahrscheinlich hatte der Ire O’Driscoll ihn verraten, ehe er sich auf den Weg gemacht hatte, Steel zu stellen. Ja, diese Erklärung ergab am meisten Sinn. Aber Steel brauchte Gewissheit.
»Wie habt Ihr mich entdeckt? Ihr könnt nicht wissen, wer ich bin.«
»Es war ziemlich einfach. Kennt Ihr diesen Mann?«
Malbec klatschte einmal in die Hände, worauf wie aus dem Nichts ein Mann auftauchte und über die Türschwelle trat. Steel erkannte ihn sofort: Es war Simpsons Butler Gabriel.
»Monsieur Gabriel ist Offizier des Königs. Er ist Capitaine im Regiment der Mousquetaires, aber seit nunmehr zwei Jahren dient er seinem König als Spion – einer unserer besten Spione, um genau zu sein. Im Augenblick arbeitet er als Butler für einen Mann, den wir seit einiger Zeit verdächtigen. Dieser Mann nennt sich St. Colombe. Gewiss ist auch er ein britischer Spion. Nun, die Falle wird bald für ihn zuschnappen, und dann werden wir ihn zur Rechenschaft ziehen.« Der Major blickte Steel triumphierend an. »Ihr hingegen seid uns schneller ins Netz gegangen. Natürlich ließ Gabriel mich wissen, dass ein gut aussehender irischer Captain an St. Colombes Haustür vorstellig wurde. Als ich das der Marquise mitteilte, stellte sich heraus, dass Ihr der Dame schon einmal begegnet wart. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wie eifrig sie darauf bedacht war, erneut Eure Bekanntschaft zu machen. Sie hat einen Blick für ein hübsches Gesicht. Aber das soll uns jetzt nicht weiter interessieren. Ihr seid mein Gefangener, Captain Johnson, oder wie auch immer Euer richtiger Name lautet. Ich bin sicher, dass Ihr mir das alles bald erzählen werdet. Wisst Ihr, es gibt so sehr viel, was Ihr mir zu berichten habt. Und früher oder später werdet Ihr plaudern.«
9.
Man hatte ihn an einen soliden, mit Schnitzwerk versehenen Lehnstuhl aus Holz gefesselt. Mehrfach versuchte Steel, sich zu befreien, doch die dicken schwarzen Riemen saßen so fest an den massiven Lehnen, dass ihm das Leder bei jeder heftigen Bewegung ins Fleisch schnitt. Derweil beobachtete Malbec die nutzlosen Befreiungsversuche seines Gefangenen und schüttelte amüsiert den Kopf.
»Das ist doch sinnlos, Captain. Bedenkt, in was für einer Situation Ihr Euch befindet. Akzeptiert Eure Niederlage. Was würdet Ihr denn tun, selbst wenn Ihr freikämt? Zunächst müsstet Ihr es mit mir aufnehmen, und dann wäre da noch unser Freund dort bei der Tür. Und selbst wenn Ihr diesen Raum verlassen könntet, wo wollt Ihr hin? Ihr seid immer noch im Hôpital des Invalides, im Herzen der französischen Militärverwaltung. Was für Chancen rechnet Ihr Euch da aus? Nein, viel besser wäre es für Euch, wenn Ihr uns einfach sagt, was wir wissen wollen. Dann könnt Ihr Euch ausruhen. Bitte, Captain. Bei meiner Soldatenehre, ich verspreche Euch, dass Euch kein weiteres Leid widerfahren wird.«
Sie befanden sich in einer der kargen Kellerräume des Hospitals, in denen für gewöhnlich aufsässige Invaliden festgehalten wurden. Abgesehen von dem Stuhl bestand die Einrichtung aus einer Pritsche, einem Eimer für Unrat und einem kleinen Holztisch. Tageslicht fiel nur unterhalb der Decke durch ein schmales Fenster, das auf den gepflasterten Innenhof ging. Im Augenblick wurde der Raum spärlich von zwei Pechfackeln erleuchtet, die in ihren schmiedeeisernen Halterungen blakten und unruhige Muster aus Licht und Schatten auf das Mauerwerk warfen.
Einen Moment lang hatte Steel geglaubt, er könne aufgrund der schlechten Beleuchtung nicht mehr klar sehen, doch dann war ihm schnell bewusst, dass sein schwindendes Sehvermögen auf sein langsam zuschwellendes rechtes Auge zurückzuführen war, da Malbec und Gabriel ihn abwechselnd mit Faustschlägen traktiert hatten. Simpsons ehemaliger Diener gönnte sich nun eine Pause.
Neben der Tür stand ein bewaffneter Posten, ein großer Infanterist aus Malbecs Regiment der Grenadiere; er trug die hohe Bärenfellmütze dieser Einheit. Eins war Steel klar: Von hier aus würde er nirgendwo hingehen. Mit Verzögerung nahm er wahr, dass sich im Verlauf seiner Tortur noch eine Person zu Malbec und Gabriel gesellt
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