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Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)

Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Gale
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orientieren.
    Hinter ihm zeichnete sich die mächtige Kuppel des Invalidendoms gegen den Nachthimmel ab. Steel brauchte einen Augenblick, bis ihm klar war, wo Osten war. Er hatte Glück, stand er doch auf der richtigen Seite des Gebäudes! Jetzt galt es nur noch herauszufinden, in welchem der drei Blocks sein Bruder untergebracht war.
    Im selben Moment hörte er Schritte auf dem Schotterweg, gefolgt von dem Ruf, den er befürchtet hatte. »Halte! Qui va là?«
    Steel handelte instinktiv und antwortete in schlechtem Französisch, wobei er die Wörter bewusst dehnte: »Ich bin’s. O’Driscoll, Meister. Ich fühle mich nicht gut.«
    Der Wachposten trat näher an Steel heran und hielt ihm das Bajonett der Muskete vor die Brust. »Ihr seid betrunken. Und Ihr habt Euch geprügelt. In die Wachstube mit Euch, mein irischer Freund.«
    Steel hob theatralisch die Hände. »Nicht schießen, Meister. Ich komm freiwillig mit. Ja, ich hab vielleicht ’nen Tropfen zu viel gehabt, aber wir sind ja auch nur Menschen, nicht wahr, mein Freund? Könnt die Waffe sinken lassen, ich komm freiwillig mit. Stelle mich meiner Strafe.«
    Der Franzose lächelte und ließ die Muskete sinken. Steel nutzte die Gelegenheit. Ansatzlos schlug er den völlig verdutzten Wächter mit der Faust zu Boden. Die Muskete, die zum Glück nicht geladen war, fiel ins Gras. Steel hob sie auf. Ehe der Franzose wieder zu Bewusstsein kam, trieb er ihm die Klinge des Bajonetts durch die Brust. Er hörte ein gurgelndes Geräusch, dann erschlaffte der Körper des Mannes. Schnell zog er das Bajonett aus dem Körper des Toten, nahm ihm die weiße Uniformjacke ab und schlüpfte hinein. Sie war ihm ein wenig eng um die Brust, aber es würde schon gehen. Dann nahm er dem Franzosen den Dreispitz ab und setzte ihn sich auf den Kopf. Zu guter Letzt griff er nach der Muskete, schulterte sie links und schritt wie ein Wachsoldat den Schotterweg entlang.
    Fieberhaft suchte er bei den Unterkünften nach Anzeichen, die auf seinen Bruder hindeuteten. Schon machte sich Verzweiflung in ihm breit, als er plötzlich Stimmen hörte. Zwei Männer unterhielten sich in Englisch. Sofort erkannte er die Stimme Alexanders. »Dann gute Nacht, Lieutenant. Und habt Dank für den Wein. Ich zeige mich bei Gelegenheit erkenntlich.«
    Steel setzte den Rundgang des Wächters langsam fort und sah, wie ein Mann sich aus dem Schatten eines Hauseingangs löste und seines Weges ging. Als der Lieutenant an ihm vorbeikam, salutierte Steel vorschriftsmäßig und hoffte inständig, dass der Offizier nicht zu genau in seine Richtung schaute. Zu Steels Erleichterung hielt der Lieutenant auf das Hauptgebäude zu. Sowie der Mann außer Hörweite war, lief Steel zu der Tür und drehte den Knauf. Zum Glück ließ die Tür sich öffnen.
    Keinen Meter von Steel entfernt stand sein Bruder und blickte ihn entgeistert an.
***
    Steel brauchte eine Verschnaufpause. Er war nicht sofort in der Lage, Alexander die ganze Geschichte seines Martyriums zu erzählen. Inzwischen saßen sie auf einer grasbewachsenen Böschung neben einer noch nicht fertig gebauten Straße. Alexander hatte sich bemüht, die Wunden seines Bruders zumindest notdürftig zu verbinden, und hatte dabei die Tür zu seiner Unterkunft keinen Moment aus den Augen gelassen. Kurz darauf hatten sie den Block verlassen und waren so weit gegangen, bis sie das Hôpital weit hinter sich wussten. Dennoch sprach Steel nur im Flüsterton.
    »Dann kennst du also den Geheimgang?«
    »Charpentier hat mir davon erzählt«, erwiderte Alexander. »Der König selbst ließ ihn anlegen, vor zwanzig Jahren, als das Hôpital erbaut wurde. Der Gang diente den nicht anerkannten Mätressen des Königs, mit denen er sich in seinen Privatgemächern vergnügt hat.«
    Steel lachte leise. »Also bin ich entkommen, weil der König eine Leidenschaft für junge Frauen hatte? Der alte Bock!«
    »Er schmückt sich mit der Promiskuität wie mit einer Ehrenmedaille. Und die ganze Nation, so scheint es, eifert ihm nach.«
    Steel schüttelte den Kopf. »Wirklich, ein seltsames Volk. Wie sollen wir je Frieden herbeiführen zwischen diesen beiden Kulturen?«
    »Bist du deshalb hier, Jack? Um das Ende des Krieges herbeizuführen?«
    »Du solltest mich lieber nicht danach fragen, Bruder. Ich bin Soldat, mehr nicht. Das sagte ich dir schon.«
    »Du musst fort von hier. Ich hatte mir schon einen Plan zurechtgelegt. Aber jetzt müssen wir schnell sein.«
    Alexander stand auf, aber in Steels benebeltem

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