Stefan Bonner und Anne Weiss
Spitze. Wir könnten ja wenigstens ein gesundes Interesse für den eigenen Wurf aufbringen. Schließlich sind es die Menschen von morgen, die hier nicht erzogen werden.
STEFAN ERZÄHLT:
Letzten Sommer in einem Park, gleich bei mir um die Ecke: Ich sit ze auf der Bank und lese ein Jerry-Cotton-Heftchen. Nach kurzer Zeit nimmt auf der Bank gegenüber eine junge Mutter mit einem Dreijährigen Platz. Zunächst nehme ich das gar nicht richtig wahr, denn die Mutter schält für ihr Kind einen Apfel. Dann jedoch beginnt sie mit einer Freundin zu telefonieren. Bei dem kleinen Kind ist große Langeweile angesagt. Der Junge kommt zu mir herüber und klettert auf die Bank.
In der folgenden halben Stunde habe ich viel damit zu tun, den Kleinen von meiner Tasche, meinem Heft und meinen Ohrmu-scheln und Haaren fernzuhalten. Ich bin eigentlich kein Kinderfeind, aber nach einer Weile habe ich keine Lust mehr, mich von dem Stöpsel belästigen zu lassen.
Schließlich klappe ich das Heftchen zu und stehe auf. Die Mutter schaut herüber und erwacht aus ihrer Telefon-Tran- ce. »Ach, nervt er Sie schon?«
Um den Nachwuchs ruhig zu stellen, wird bei Quengelsüßigkeiten und Quengel-Nintendo-DS eher mal nachgegeben: Mein Kind ist doch so süß! Das bisschen Verwöhnen schadet doch nicht.
Wie soll allerdings unsere Zukunft aussehen, wenn alle Kinder ständig im Mittelpunkt stehen und zu kleinen Konsummonstern erzogen werden?
Jeden Wunsch sofort zu erfüllen ist auf die Dauer schadhaft. »Verwöhnen ist immer eine primitive Lösung«, warnte der Psycho analytiker Wolfgang Schmidbauer im SPIEGEL. Letztendlich ist es nur für uns als Eltern eine bequeme Lösung. Für die Kinder führt es zur Gewöhnung an die Befriedigung durch sofortigen Konsum oder sofortige Zuwendung. Später, als Erwachsene, wer-den sie nicht damit klarkommen, wenn etwas nicht gleich ihren Wünschen entspricht. Frust wird einsetzen, wenn der verpäppelte Nachwuchs den Ernst des Lebens kennen lernt.
Der niedliche kleine Leon Tyler, der sich heute heulend im La-den auf den Boden schmeißt, weil er sein Videospiel nicht bekommt, geht morgen für Sonntagsshopping auf die Straße und weigert sich, für das lächerliche Anfangsgehalt zu arbeiten, das vorne und hinten nicht ausreicht, um davon ein Auto und eine Penthousewohnung zu finanzieren. Schon in der Schule konnte er sich nicht an den strengen Unterricht gewöhnen und fehlte häufig, weil er die Auf fassung vertrat, dass er sich niemandem unterzuordnen habe und dass seine Lehrer keine besonders guten Unterhalter seien. Ob er überhaupt mal einen Job bekommt?
Die süße kleine Fabienne-Chantal, die es gewohnt ist, stets ih-ren Willen durchzusetzen, wird sich in zehn Jahren vor einem in zwischen zahnlosen Dieter Bohlen lächerlich machen, weil sie bei Deutschland sucht den Superstar – Das Revival mit dem Song Ich hab die Haare schön, Old-Hippie-at-the-Fireplace-Mix nicht in den Recall gekommen ist. Warum hätte sie sich in ihrer Ausbildung als Bürokauffrau auch anstrengen sollen? Schließlich muss nur jemand das Starpotenzial entdecken, das sie zweifelsohne besitzt! Sie glaubt an sich. Das ist gut. Aber vielleicht sollte sie wenigstens mal ein paar Stunden Gesangsunterricht nehmen.
Wenn wir unsere Kinder durch Verwöhnen zu Egozentrikern und Wichtigtuern erziehen, kommt der Bumerang irgendwann zu rück. Eine neue Generation wächst heran, die alles will, aber nichts kann, und, ohne es zu wissen, nach Nietzsches Prinzip »Licht wird alles, was ich fasse« agiert.
Es würde nicht schaden, den Stumpen ein wenig mehr Be-scheidenheit und Lebenstüchtigkeit mit auf den Weg zu geben. Doch ähnlich wie beim zwanglos-antiautoritären Erziehungsstil der blumigen Siebziger lassen wir die Kinder ihre Welt heutzutage weitgehend selbst gestalten. Dies hat jedoch nichts mit der liberalen Geisteshaltung zu tun, die wir uns so gerne andichten. Wir haben nur keine Lust, vernünftig zu sein und Verantwor tung zu übernehmen. Wie würde das auch ins Konzept einer Generation passen, die von sich selbst sagt: »Ich will doch nur spielen«? Die anstrengende Arbeit am Kind überlassen wir lieber jemand anderem, am besten den vermeintlichen Experten auf diesem Gebiet.
Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Wie die Verantwortung für die Erziehung abgeschoben wird
Mit Erziehungsautoritäten hat die Generation Doof ihre Probleme. Denn irgendwie haben die uns schon in der eigenen Jugend genug genervt. Es ist ein bisschen wie mit der
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