Stefan Bonner und Anne Weiss
besser, denn erst dann haben wir wieder Zeit für uns selbst. Doch so gut die Fachkräf-te dort auch sein mögen – Erziehung kann nicht nur fern von zu Hause stattfinden. »Die Eltern dürfen nicht glauben, dass sie ihr Kind einfach abgeben können«, meinte Fee Czisch, die Autorin des Buches Kinder können mehr, bei einem Interview mit der Süddeut schen Zeitung. Doch genau das scheinen viele Eltern der Generation Doof zu glauben.
Kinder selber zu erziehen erscheint vielen als uncoole Zeitverschwendung. Dafür bezahlt einen ja keiner. »Was meinen Sie, was ich pro Stunde koste – da ist es doch unrentabel, wenn ich meine Kinder selbst erziehe!« So lautet die einfache Kosten-NutzenRechnung des zweifachen Vaters und Controllers Bert Mannheim, achtunddreißig. Bert scherzt natürlich nur …
»Es ist harte Arbeit, sie beansprucht nur andere
Körperteile.« Eine Erzieherin in einem InternetForum über ihren Job Wenn man sich das Gewicht der Verantwortung anschaut, die hier leichten Herzens von den Eltern abgegeben wird, ist das Personal in unseren Kinderkrippen und Schulen nicht nur überfordert, sondern zudem krass unterbezahlt: Nach dreijähriger unbezahlter Ausbildung und einem Anerkennungsjahr bekommt eine Kinder-pflegerin zwischen 1500 und 2100 Euro brutto, eine Erzieherin verdient etwa 2200 bis 2600 Euro brutto. Und das sind dann schon Top-Gehälter. Viele müssen sich mit weniger zufrieden geben. So wie Alexa Gräber, achtundzwanzig, die in einem Bonner Kinder garten eine Vollzeitstelle als Erzieherin antreten sollte. Für schlappe 800 Euro netto.
Aus dem Gehalt kann man in den Erziehungsberufen seine Motivation also nicht beziehen. Für Menschen wie Alexa, die den Job mangels Alternativen zähneknirschend angenommen hat, zählt letztendlich nur die Freude an der Arbeit mit Kindern. Ist es nicht schön, dass unser Nachwuchs von Idealisten angeleitet wird? Die Eltern der Generation Doof sollten sich also gut überlegen, ob sie diesen Leuten die Freude am Job vollends vermiesen wollen. Denn wenn die letzten tapferen Erzieher und Lehrer innerlich kündigen, dann gibt es bald gar keinen mehr, der unsere Kinder ordentlich erziehen kann.
Aber halt, das stimmt so nicht ganz: Wenn es keine Hoffnung auf gut erzogene Kinder mehr gibt, dann kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Jemand hat den Fernseher angemacht – Bühne frei für die Super Nanny!
Erziehungsk(l)ick mit der Fernbedienung – die Fernsehnanny macht Kinder froh und deren Eltern ebenso
Neulich im Supermarkt konnten wir eine possierliche Szene be obachten: Ein Achtjähriger rammte im Beisein seiner Mutter den Einkaufswagen ungebremst einer älteren Dame in die Hacken, die an der Kasse wartete.
Ältere Dame zur Mutter des Jungen: »Wollen Sie denn nichts sa gen?«
Mutter: »Wie?«
Ältere Dame: »Ihr Kind ist mir gerade kräftig mit dem Wagen in die Hacke gefahren!«
Mutter: »Da kann das Kind doch nichts für.«
Ältere Dame zu dem Kind: »Hör mal, das tut man nicht. Du hast mir wehgetan.«
Kind: »Halt die Klappe!«
Aha. Das schreit nach einem Lösungsansatz mit Superlativ. Die Privatsender haben das Problem erkannt und wissen auch schon, wie man damit Quoten ergattert. Zwischen drei und fünf Millionen Menschen schalten jede Woche die umstrittene Erziehungs-Unter- haltung Die Super Nanny ein. Die Diplom-Pädagogin Katharina Saalfrank war in ihrer Rolle so gut, dass RTL II gleich ein paar andere Superhelden ins Rennen schickte: Die Superhausfrau (Tipps von Profis), Die Putzteufel (Deutschland macht sauber) und Die Superfrauchen (Einsatz auf vier Pfoten). Da bleibt kein Problem im deutschen Haushalt unberührt.
Eigentlich müsste man sich über Die Super Nanny wundern. Eine Fernsehsendung soll den Bürgern beim Lösen ihrer eigenen erziehungstechnischen Probleme helfen? Eine abstruse Vorstellung. Dann könnte man auch glauben, das Regal würde sich von allein an die Wand schrauben, nur weil ich in der Flimmerkiste einer langbeinigen Blondine im Blaumann dabei zugeschaut habe, wie sie die Bohrmaschine ansetzt.
Nein, Die Super Nanny bedient eine Art Erlösungsfantasie. Die Show, die das Elend des Einzelnen für eine breite Öffentlichkeit zur Schau stellt, beruhigt das Gewissen: »Schau mal einer an – wenn diese Deppen ihre Kinder nicht erzogen kriegen, dann kann es ja nicht so schlimm sein, wenn unser Max die Wände mit seinen Exkrementen verziert – auch wenn er schon sechzehn ist.«
Außerdem macht die TV-Erziehungshilfe gegen Selbstkritik
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