Stefan Bonner und Anne Weiss
uns die Einstellung zur Arbeit ähnlich verquer und erfolglos ist wie bei Stan und Ollie. Wir müssen uns zudem die Frage gefallen lassen, ob wir überhaupt et-was Brauchbares gelernt haben, das uns für einen Job qualifiziert – kein Wunder bei einer Generation, deren Bildungslücken so groß sind wie die Löcher in einem Schweizer Käse: Nicht überall, wo Abi drauf steht, ist auch Abi drin; längst nicht jede Ausbildung verab reicht ihren Ausgebildeten die Weisheit mit Löffeln; und viele Studienabschlüsse sind eher magna cum lau als magna cum laude.
»Arbeit ist Scheiße.«
Wahlkampfspruch der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands Welches Ungemach uns im Job droht, bemerken viele von uns schon recht früh. Für die männlichen Anteile der Generation Doof ist der Zivildienst der erste Ausflug in die Arbeitswelt, wenn sie den Dienst am Ballermann verweigern. Diese Zeit ist eine Art Testge-lände, denn hier findet die erste scheue Begegnung mit dem Ernst des Lebens statt, den wir bis dahin meist nur aus der Ferne oder im Fernsehen betrachtet haben.
Jahre später erinnern sich die meisten der ehemaligen Zivis gerne an die Zeit, als sie täglich Bettpfannen leerten, Rollstühle repa-rierten oder Senioren-Pizzataxi spielten. Es war eine gute Zeit, in der man noch keine Verantwortung tragen musste und das Früh-stück manchmal mit einer kleinen Tüte begann. Doch gerade an dieser Leichtigkeit konnte man bereits ablesen, welche Arbeitsmo ral unsere Generation später an den Tag legen würde: Während die einen ihren Job durchaus ernst nahmen, kurierten die anderen ihren Kater vom Vorabend aus und stellten sich bei den praktischen Aufgaben des Tages selten dämlich an.
Stefan erzählt: Karl Glock begrüßt mich im zünftigen Blaumann. Sein Hände-druck ist kräftig, die Handflächen sind voller Schwielen, und unter den Augen hängen dunkle Tränensäcke, die selbst Derrick neidisch machen würden. Mein erster Eindruck: Der Mann weiß, was harte Arbeit ist.
Ich habe als Zivi in der Hausmeisterei eines Altenheims ange-heuert, und Glock ist für die nächsten dreizehn Monate mein Boss – der erste in meinem Leben.
Glock hat nur noch zwei Jahre bis zur Rente vor sich, und wenn er erzählt, merke ich ihm die Vorfreude auf die viele freie Zeit deut lich an. In den vergangenen zwanzig Jahren hat er unzählige Zivis und Auszubildende durch seine Werkstatt geschleust. Doch in letzter Zeit ist ihm der Spaß an der Sache vergangen. Mit säuerlichem Unterton erklärt er, er habe das Gefühl, nur noch von »Bescheuer ten« umgeben zu sein. Wieso guckt er mich dabei so an?
Meinen Vorgänger hat er vor Kurzem rausgeschmissen. Der war plötzlich nicht mehr aufzufinden gewesen, und Glock entdeckte ihn schließlich ohnmächtig auf dem Klo. Künstlerpech – nicht je dem ist es gegeben, Marihuanamengen richtig einzuschätzen.
Der Hausmeister führt mich hinaus in den Garten und bleibt vor einem zerrupften Busch stehen. Es gibt wohl noch einen anderen Zivi, der ausschließlich fürs Rasenmähen und die Gestrüppbeseiti gung zuständig ist. Er heißt Mike und hat gerade das Abi bestanden.
»Der hat in der kurzen Zeit mehr Schaden angerichtet als die Japaner in Pearl Harbor«, sagt Glock missmutig. »Letzte Woche ist er den Pflanzen hier mit der Heckenschere zu Leibe gerückt, weil er dachte, es sei Unkraut. Dabei sind das Petunien.«
Ich lasse mir nicht anmerken, dass ich für den Hinweis dankbar bin.
Glock will mich mit Mike bekannt machen und führt mich zum Geräteschuppen. Die Tür steht sperrangelweit offen, Mike ist nicht da. Glock erklärt mir, dass er wahrscheinlich mit der Kehrmaschine ums Haus fährt – eine der wenigen Tätigkeiten, die er bis her unfallfrei verrichtet habe. Während wir uns umsehen, ertönt ganz in der Nähe bereits Motorengeräusch. Mike braust mit der Kehrmaschine heran, ein Minitraktor mit Riesenbürste. Er winkt freundlich zu uns herüber und steuert dann zügig die Einfahrt des Geräteschuppens an. Glock entfährt ein leises »Oh, nein«. Mike zerrt verzweifelt an der Schaltung des Treckers wie Stan Laurel an dem Besen im Kamin, sieht hilflos zu uns herüber und verschwin det dann in voller Fahrt im Schuppen. Aus dem kleinen Verschlag erklingt ein lautes Scheppern, dann heult der Motor ein letztes Mal auf.
Glock läuft puterrot an und stürmt in den Schuppen. Es folgt eine Schimpfkanonade, bei der unter anderem das Substantiv »Vollidiot« und die Redewendung »keine Augen im Kopf« fallen,
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