Stefan Bonner und Anne Weiss
Strahlkraft der schönen TV-Bildchen. »Sie präsentieren nicht nur die Objekte der Begierden, sie laden die Bilder selbst mit Attraktivität auf«, schrieb er hübsch verklausuliert. Also noch mal ganz, ganz einfach: Wenn Bruce Darnell einer vor Freude hysterisch kreischenden Modelschar verkündet, dass es nach dem Fotoshooting vor der thailändischen High Society in Bangkok gleich weiter nach Hollywood geht und von dort aus an den Strand von Malibu, dann ist dieses Bild so faszinierend, dass wir selber den Wunsch verspüren, im Blitzlichtgewitter zu stehen. Man muss nur halbwegs gut aussehen, sich bewerben und vor allem Glück haben. Das ist an sich noch keine Leistung, auf die man stolz sein könnte, sondern hat eher die Qualität eines Sechsers im Lotto. Und es hat genau dessen Zauber.
»Ich habe damals all die Stars im Fernsehen gesehen und wollte sein wie sie: erfolgreich. Berühmt werden, ob als Musiker, Schauspieler oder Massenmörder, war mir egal. Heute habe ich es geschafft.« Robbie Williams
Der Kölner Psychologe Ulrich Schmitz, der einige Big Brother Teilnehmer betreut hat, meint dazu: »Berühmt sein hat eine enorme Sogwirkung, speziell für junge Menschen, die natürlich versuchen, abseits mühsamer beruflicher Karrieren schnell ins Rampenlicht zu kommen. Nichts ist schöner, als im Mittelpunkt zu stehen und Applaus zu bekommen.« Medialer Ruhm verspricht Reichtum. Die Generation Doof weiß zwar nicht viel, aber eines erscheint uns so sicher wie die Schwerkraft: Biste in’t Feanseen, haste Kohle. Wer würde da Nein sagen, wenn der Caster dreimal klingelt?
Es ist trügerisch, denn das TV vermittelt den Eindruck, das schnelle Glück als Superstar sei heute greifbarer denn je. Es gibt unter Jugendlichen wohl kein anderes Berufsbild, das so klar definiert ist wie das des Superstars. Besonders für Menschen aus einfachen Ver hältnissen erscheint ein Casting vielversprechender als eine Karriere als Automechaniker oder Friseurin. Doch auch die Jugend aus bildungsbürgerlichen Haushalten zieht es zum Fernsehen. Den Zaster für ein ordentliches Studium kann bald ohnehin niemand mehr aufbringen. Da werden wir doch lieber Millionär bei RTL.
Das Verführerische ist, dass die modernen Stars aus unserer Mitte stammen. Sie kommen aus Deutschland und nicht aus Amerika. Sie heißen Max Mutzke, Mark Medlock oder Barbara Meier. Vorher kannte ihr Gesicht nicht mal der eigene Vermieter, aber jetzt haben sie es geschafft. Und das, obwohl man über ihr Talent streiten kann. Darum wollen auch alle von uns Mittelmäßigen mitma chen, denn es gilt, entdeckt zu werden.
Dabei bilden die Casting-Shows im Fernsehen nur die Spitze des Eisbergs. Der wahre Hype um das eigene Ich spielt sich heute im Internet ab. Dort löst sich gerade die mediale Zweiklassenge-sellschaft aus Stars und Fans auf. Im World Wild Web darf jeder ein Promi sein.
»Dilettanten oft als Meister galten, weil sie prominente Geister malten.« Anton Kippenberg Unter dem Kürzel Web 2.0 locken Ruhm und Aufmerksamkeit für jedermann. Alle, die gewillt sind, sich in der virtuellen Welt zu präsentieren, dürfen mitträumen.
Erstaunlich ist, dass hier private und sensible Daten des Einzelnen veröffentlicht werden, ohne dass es jemanden stört. Die Generation vor uns ist noch gegen die Volkszählung auf die Barrikaden gegangen – und die Generation Doof kann von Payback-Cards und gläsernem Bürger nicht genug bekommen. Wir können uns nicht vorstellen, dass jemand mit unserem Privatleben schwer wie-genden Schabernack treibt, da wir behütet aufgewachsen sind und Staatswillkür nicht mehr kennengelernt haben. Der Drang nach Veröffentlichung ist größer als das Bedürfnis nach dem Schutz, den uns die Anonymität verleiht. »Immer mehr Menschen wie du und ich treten vor einem Massenpublikum auf. Die Leute wollen heute, dass man sie kennt. Und am liebsten wollen sie berühmt sein«, sagt Chris DeWolfe, Gründer von myspace, einer der größten OnlineCommunities der Welt.
»Broadcast yourself« ist der Slogan von YouTube, einem der er-folgreichsten Videoportale im Netz. Und wir sind auf Sendung. Der SPIEGEL schreibt über die neue Massenbewegung: »Eine Ge neration zieht sich online aus, manchmal wortwörtlich, manchmal, indem sie ihre Gefühle und Gedanken, ihren Alltag und ihr Fami lienleben offen präsentiert – die mediale Distanz lässt auch bisher gültige Schamgrenzen fallen.«
Auf dem Trödelmarkt der Persönlichkeiten gibt es im Internet ne-ben
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