Stefan Bonner und Anne Weiss
ist denn der Präsident von Amerika von Beruf?« Junge: »Präsident?«
Reporter: »Ja, richtig!«
Der nette junge Mann mit dem schwarzroten Kopftuch hält Nachrichten offenbar genauso für überflüssiges Gebrabbel wie wir anderen Doofen. Eine Tageszeitung benutzen wir höchstens zum Einpacken von Fisch oder als Einlage für den Vogelkäfig, und wir interessieren uns eher für Big Brother als für Big Bush. Wenn uns da jemand was beibringen kann, dann höchstens mit der Vor-schlaghammermethode wie Michael Moore.
Wesentlich besser als die ernsten Nachrichten kommen bei uns Doofen Meldungen über Stars und Sternchen an, die wir schon so häufig im Fernsehen oder Internet gesehen haben, dass wir geistig mit ihnen längst per Du sind. Dann lesen wir mit aufrichtigem Interesse, dass Britney Spears sich im Vollrausch die Haare abge-säbelt hat, und freuen uns über Schlagzeilen wie »Knast-Make-Up für Paris. Paris schminkt mit Kaffee und Tinte«, »Heinz Henn kritisiert Bohlen, Bohlen attackiert Raab«, »Klums drittes Klümchen ist da!«, »Zottel-Spears mit Pipi-Notfall« oder »Promis geben ih-ren besten Stücken Namen: Pam präsentiert Ernie und Bert!« und »Heidi Klums Brüste heißen Hans & Franz«.
Neben den richtigen Stars sind bei der Generation Doof die Stars aus den diversen Casting-Shows besonders beliebt. Das liegt wie bei den Stars unserer Lieblings-Soap daran, dass wir sie in ihrem Freud und Leid begleitet haben und dass sie irgendwie ja zu uns gehören, weil sie so natürlich wirken und auch so sprechen wie wir. Da sagt Mark Medlock nach seinem Sieg bei DSDS in Stern TV kumpelhaft zum verdutzten Günther Jauch: »Ach, Günda, du alda Drecksack, du!« Und Sternchen Jessica Simpson wundert sich beim Verzehr einer Dose Thunfisch: »Ist das jetzt Hühnchen oder Fisch?« Das könnte uns allen passieren. Oder?
Das Schöne am Boulevard-o-tainment ist, dass es kein Hintergrundwissen verlangt. Wir werden da abgeholt, wo wir geistig ste hen. Im Gegensatz dazu muss man, will man den Nahostkonflikt verstehen, ja immerhin wissen, warum die Palästinenser auf Israel sauer sind. Das hat eine einigermaßen lange Vorgeschichte. Und bei der Debatte um neue Energien müsste man sich lästigerweise Gedanken darüber machen, woher denn demnächst der Strom für den Fernseher kommen soll, bevor man die Meinung vertritt, alle Atomkraftwerke gehörten abgeschaltet.
Hat man von alledem keinen blassen Dunst, kann es einen kalt erwischen, wenn man im falschen Moment hinter dem Fernseher hervorkommt und einen auf politisch aktiv macht. So erging es einem jungen Mann, der mit dem Zug auf dem Weg zum G8 Gipfel nach Heiligendamm war. Mit Irokesenschnitt und Ohrring wäre er wahrscheinlich zwischen all den waschechten Alternativen gar nicht aufgefallen, wäre da nicht ein Reporterteam vom ZDF gewesen, das von den G8-Gegnern wissen wollte, warum sie gegen den Gipfel demonstrierten. »Weil ich gegen das G8 bin«, sprach der junge Mann überzeugt, »weil die alle nur irgendwelche Sachen versprechen, die eh nicht eingehalten werden.« – »Was denn?«, hakten die Reporter nach. Da musste der junge Mann, nach außen hin Verfechter sozialer Gerechtigkeit und Verhinderer der Globalisie-rung, grinsen: »Ja … Keine Ahnung, ich bin zu unpolitisch.« Das geht dem Pseudo-Alternativen aus dem Interview sicherlich nicht alleine so. Auf Demos begegnet man immer wieder konsumkriti-schen Alternativen, die auf dem zerfransten Bundeswehrparka einen Aufnäher mit dem Logo der Firma Nike tragen, mit der Aufschrift: »Anarchy, just do it!« Man fragt sich, ob Rebellen ohne Grund, wie der junge Mann von eben, wohl überhaupt die darin verborgene Iro-nie verstehen.
Solche Kleidungssorgen haben die meisten von uns Doofen allerdings nicht, da wir selten aus dem Fernsehsessel aufstehen, um auf eine Demo zu gehen. Und die Boulevard-Spülung für unser Gehirn bleibt nicht ohne Spuren. Wenn wir jeden Abend semi-talentier- ten Superfreaks zusehen, dann kommen wir schnell auf die Idee, dass wir das selber mindestens genauso gut draufhaben. Bislang mussten wir unsere Starallüren leider für uns behalten. Wenn wir Glück hatten, durften wir auf Opas Goldhochzeit zur Belustigung der Verwandtschaft allenfalls mal als sprechender Wischmopp auf-treten oder Weihnachten im Familienkreis O Tannenbaum auf der Gießkanne blasen.
Doch mittlerweile gibt es endlich einen Spielplatz, auf dem wir unseren Traum vom Ruhm doch noch ausleben können: das Inter net. Hier
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