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Stefan Bonner und Anne Weiss

Stefan Bonner und Anne Weiss

Titel: Stefan Bonner und Anne Weiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Generation Doof
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Begriff mal googeln sollen. Da wäre ihr sicherlich geholfen worden, denn Sex ist im Internet überall Ge sprächsthema, und dabei nimmt die Generation Doof kein Feigen-blatt vor den Mund.
    Gast 7625: Wie blase ich ihm ein?
    Only_friendship: So lange pusten/blasen, bis er dir sagt, dass er jetzt kalt genug ist.
    Harpokrates205: Dr. Sommer rät: »Nimm ihn in den Mund und sag ›Ich liebe dich‹.«
    Im Grunde müsste man im Alltag jedes zweite unserer Wörter mit Sternchen unkenntlich machen, um beispielsweise ein ver-schämtes Erröten der Wurstfachverkäuferin zu verhindern, wenn man sagt: »Geben Sie mir bitte von der ver****ten Bärchen-Mortadella.«
    Der inflationäre Gebrauch von Fäkalsprache und sexualisierten Kraftausdrücken wirkt sich auch auf unser Denken aus. Vor allem, was die Liebe betrifft, kann dies die Zärtlichkeit im Keim ersticken und manches überholte Rollenbild wieder aus der Mottenkiste her vorholen.
    Die Sprache, die wir verwenden, erzeugt beim Gegenüber ein Bild von unseren Vorstellungen und Wünschen. Vor allem bei Mädchen, die eine taffe, tabulose Sprache verwenden, entsteht so mit der Zeit ein merkwürdig zwiespältiges Selbstbild: Sie wirken ei nerseits cool, weil sie noch härter fluchen als die Jungs. Andererseits degradieren sie sich selbst unbewusst zu reinen Sexobjekten, weil ihre Flüche oft recht abwertende Frauenbilder enthalten.
    »Wenn uns langweilig wird, dann fangen wir an: du Schlampe, du Hure un so«, erzählte eine junge Dame in einem Beitrag von 3Sat über Mädchengangs. »Und wenn sie uns so schief anschauen, dann fang’ wir die Schlägerei gleisch an. Das is einfach jetzt zurzeit unser Hobby geworden.« Was wurde bloß aus Tischtennis, Fenster-bildern und Makramee?
    Noch deutlichere Worte nahmen einmal zwei junge Damen in den Mund, die eine Sitzreihe vor uns im Flugzeug nach Hamburg saßen. Beide waren Anfang zwanzig und diskutierten schon seit ein paar Turbulenzen die Probleme ihrer Beziehungen aus.
    »Ey, isch sach dir, wenn der Addi abends nach Hause kommt, is der immer voll angesickt vonner Arbeit«, erzählte die Dame auf dem Gangplatz.
    Darauf ihre Nachbarin: »Is ja krass, ey. Is bei uns genauso. Aber isch blas dem jetzt immer einen, wenn er scheiße drauf is. Dann isser wieder zufrieden.«
    »So einfach? Fett, das probier isch auch mal aus.« Nicht nur die Frauenbewegung dachte bislang, dass wir so et-was hinter uns gelassen hätten. Aber eine große Klappe muss eben nicht zwangsläufig bedeuten, dass dahinter auch ein großer Geist steckt. Und dass wir den lieben langen Tag mit sexistischen Begriffen um uns werfen, heißt nicht, dass wir tatsächlich wissen, wovon wir da reden. Auch in Sachen Liebe und Sex ist die Generation Doof Meister im Kompetenzvortäuschen.
    Studien wie Jugendsexualität 2006 der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zeigen, dass den heutigen Teen-agern trotz aller markigen Sprüche oft schlicht die Praxiserfahrung fehlt. Entgegen dem Eindruck, den sie gern vermitteln, haben sie auch nicht viel früher Sex als die Generationen vor ihnen, und wenn es dann einmal richtig zur Sache geht, ist der Schaden schnell angerichtet.
    Aufklärung tut Not – sonst werden aus Kindern schnell selbst Eltern. Das Risiko, in jungen Jahren Mutter zu werden, ist vor allem für Mädchen aus schwächeren sozialen Schichten höher. Viele Eltern sehen offenbar keine Notwendigkeit darin, ihre Kin der aufzuklären, da wir in einer Zeit leben, in der Sex ein Dauer-thema ist. Sie fürchten, sich lächerlich zu machen, wenn sie beim Thema »Das erste Mal« ihrem dreizehnjährigen Sohn gegenüber-sitzen, der ein Shirt mit der Aufschrift »Good Fucker« trägt, auf dessen Rückseite zu lesen ist: »Gigolo Latino – 1000$ – first night free«. Was, wenn der mehr weiß als ich?, denkt sich dann mancher Vater.
    »Die klär’n sich doch heute selbst auf«, hörten wir kürzlich beim Anstehen an der Kasse im Supermarkt eine Frau mittleren Alters sagen, die mit der Kassiererin schwatzte. »Auffe Straße und mitte BRAVO«, behauptete sie im Brustton der Überzeugung.
    Eine solche Behauptung verursacht bei vielen Lehrern, mit denen wir gesprochen haben, Sorgenfalten. So hat zum Beispiel Susanne Karl, Biologielehrerin an einem Freiburger Gymnasium, recht zweifelhafte Erfahrungen mit dem Thema Sexualität in ih ren Klassen gemacht. »Wenn ich in Sexualkunde zum ersten Mal Holzpenis und Kondom auspacke, sehen mich die meisten Kin-der erstaunt an«,

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