Stefan Bonner und Anne Weiss
liebeskummerpillen.de Zwischen den Sexfreaks und den Kuschlern besteht im Grunde genommen kein großer Unterschied. Auch Letztere kennen kei-ne Scham, was Gefühlsäußerungen angeht – aber diese spielen sich auf einer anderen Ebene ab. In der trauten Teddybärenhöhle dürfen wir in jeder Minute Kind sein, kuscheln, liebkosen, den Dackelblick aufsetzen und unsere Schmusebedürftigkeit der Um-welt mitteilen.
Bei der gegenseitigen Betüddelung ist uns Kuschlern nichts peinlich. Um unserem Partner unsere Anhänglichkeit zu demons-trieren, schrecken wir nicht davor zurück, ihm alberne und kindi sche Kosenamen zu verpassen – und das selbst in fortgeschrittenem Alter. So ist Sonja für den Dirk jetzt nur noch »Hase« und scheint in seiner Gegenwart gerade mal über die geistigen Fähigkeiten einer zurückgebliebenen Dreijährigen zu verfügen. Eine solche Rückbe sinnung auf unsere ersten Lebensjahre würde niemanden stören, wenn sie sich auf die eigenen vier Wände beschränkte. Doch wie so oft lässt es sich die Generation Doof nicht nehmen, ihr Privatleben an die Öffentlichkeit zu tragen. Dass manche Dinge besser im stil-len Kämmerlein bleiben, leuchtet vielen von uns nicht ein. Da muss man nicht nur mit anhören, wie »Pussischnupsi« im Supermarkt für die Bestellung an der Wursttheke gebrieft wird, sondern hört im Radio, wie sich »Pupsmeister« für »Knuddelhase« ihren gemein samen Song wünscht, und liest im Stadtmagazin die Anzeige zum dreijährigen Bestehen der Verbindung von »Sahneschnegge« und »Knutschi«.
Noch peinlicher wird es, wenn die Generation Doof beginnt, im Internet über die Kosenamen für den Partner zu diskutieren, dahinter steht unser natürliches Mitteilungsbedürfnis. Und es fin det sich immer ein Doofer, der unsere Frage beantwortet:
Fuzzman: »Diesmal ging mir so durch den Kopf, wie Ihr Euern Partner wohl nennt? Goldstück? Hase? Spatzl? Pupsi?
Ich nenn meine charmantere Hälfte übrigens liebevoll den ›Sack‹. (na, in wirklichkeit sag ich auch ganz kitschig ›babe‹)« Carina.Joris: »Ich nenne meinen Mann immer Stinker, hat sich so eingebürgert bei uns, weil er nach der Arbeit immer so stinkt. Handwerker halt.«
m.zentner: »Stinki!!!! aber nicht weil ers tut … einfach um ihn da-mit zu ärgern … und er nennt mich Ossi … ja, doch weil ich einer bin …«
Romy_Linke: »Also ich nenne meinen Mann entweder Hase oder Schmusi, und ich bin halt seine Maus oder sein Knutschi (Knutsch-tier). Nicht schön aber selten. *g*«
Stern_chen22: »Schatzi, Schäflein, Schaf, Käfer, Baby, Schnubbel, Bunny alles o.k. Aber die grausamen sind wirklich höllisch, der schlimmste: Pupsi, gefolgt von: Schnurzel, Röschen, Dickerchen.«
Was hier an geballtem Kosenamen-Schleim an die Oberfläche drängt, zeigt, wie sich die wahre Liebe für viele von uns Doofen anfühlt. Wir suchen nach Wegen, unsere überströmenden Gefühle auszudrücken, und dabei behelfen wir uns häufig mit überteuer-tem, schmalzigem Kitsch aus dem Kaufhaus. Aber ist wahre Liebe wirklich käuflich?
Nein, denn das große Herzflimmern steckt leider nicht in Häschenbüchern, die Titel wie Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich habe? tragen. Ebenso wenig findet man die Liebe, indem man sich auf Kissen bettet, die mit dem Konterfei des oder der Ange beteten bedruckt sind, oder indem man aus ineinanderpassenden lilafarbenen »Ich hab dich lieb«-Herztassen trinkt. Auch die flauschigen Plüschtiere, die in Asien extra für verliebte Westeuropä- er hergestellt werden, verströmen allenfalls Giftstoffe, aber keine Zärtlichkeit.
Seit wann kann Sondermüll Gefühle ausdrücken? Gehen Sie einmal ernsthaft der Frage nach, ob Romeo seiner Julia solchen Krempel geschenkt hätte. Oder Tristan seiner Isolde? Mitnichten. Für so einen Quatsch wäre denen ihre knapp bemessene Zeit zu schade gewesen.
Dennoch lernen wir nichts daraus und werden auch dem nächsten Partner mit selbst gekauftem Kitsch unsere tiefe Zuneigung beweisen, der irgendwann nach Ablauf des Verfallsdatums der Beziehung auf dem Flohmarkt oder im Kellerregal landet. Der oder die Ange betete soll wissen, dass die rosarote Wolke, die unseren Kopf zurzeit vernebelt, dort mindestens so lange bleiben wird, wie ausgebrannte atomare Brennstäbe strahlen. Und wir versuchen uns selbst weiszu machen, dass so etwas wie die ewige Liebe tatsächlich existiert.
Doch weit gefehlt: Was die langfristige Planung angeht, macht Liebe die Generation Doof nicht blind, sondern eher
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